Zigeunerstern: Roman (German Edition)
und brauchst, aber nicht mehr. Ganz besonders dann, wenn die Kerze, die du entzündet hast, du selbst bist. Shandor, so kam es mir vor, zehrte sich selbst in der Glut seiner Raserei auf.
Als Vorstellung war es beachtlich. Ich betrachtete es mit Erstaunen. Ich bezweifle, dass sogar ich es hätte besser bringen können. Aber dann gelang es ihm doch, sich wieder soweit unter Kontrolle zu bekommen, dass zusammenhängende Worte aus seinem Mund drangen, auch wenn sie noch immer wie ein schwerfälliges Gestammel klangen. »Noch eine allerletzte Chance für dich! Du Gottesfluch!«, dröhnte er. »Ich kann barmherzig sein, wenn ich muss. Und ich will dir – gottverdammich – Gnade erweisen, du hinterlistiger alter Scheißer. Aber du musst mitspielen! Mitspielen! Oder aber ich werde dich zermalmen.«
»Mich? Wie?«
»Ich werde dich erledigen! Frag mich nicht, wie! Frag bloß nicht! «
»Du siehst nicht sehr gesund aus, Shandor. Schläfst du in letzter Zeit nicht gut?«
»Ich will eine Krönungszeremonie ansetzen.«
»Ach, willst du das wirklich?«
»Hör auf, in diesem herablassenden Ton mit mir zu sprechen!«
»Ich versuche nur, mein Teil zu unserer Unterhaltung beizusteuern, weiter nichts. Ich hatte mich soeben nach deinem Wohlbefinden erkundigt. Weißt du, es gibt da ja Medikamente, die du einnehmen könntest. Wässer von neun verschiedenen Orten, aber die Kur kennst du doch, oder? Du brauchst eine drabarni, die muss vorher Holzkohlenasche hineinstreuen. Vielleicht wäre Bibi Savina bereit, das für dich zu tun. Ferner brauchst du natürlich Bärenschmalz – da könntest du dir aus Marajo eine Lieferung kommen lassen – ich glaube, der Damiano hält sich dort Bären –, dann Krebsaugen, Cantharidin in Pulverform, du weißt schon, spanische Fliegen …«
»Ich lasse dir die Zunge aus dem Maul reißen, wenn du nicht aufhörst!«
»Shandor-der-Barmherzige – na klar!«
»Es wird eine Krönungszeremonie stattfinden …« Er spuckte die Wörter gewaltsam aus wie lose Zähne, die ihn im Mund störten. »Eine Neun-Welten-Feierlichkeit, erst hier auf Galgala, dann auf Xamur, Iriarte, Nabomba Zom, Clard Msat …«
»Da könntest du auf einige Probleme stoßen. Ich habe mir sagen lassen, dass momentan aus irgendwelchen Gründen keine Sternenschiffe mehr auf Iriarte oder Clard Msat landen.«
»… und nachdem auf sämtlichen neun Königswelten das Zeremoniell religiös abgesegnet ist, werden wir, du und ich, zur Capitale fliegen, vor den Kaiser treten und uns seine Bestätigung einholen.«
»Seine Bestätigung – wessen?«
»Meines Anspruchs auf den Thron. Die Legitimität meiner Königsherrschaft.«
»Ach so, du willst noch immer König werden, Shandor? Gib's auf! Es ist ein scheußlicher Beruf.«
»Du wirst auf sämtlichen der neun Königswelten neben mir stehen, wenn die Phuri Dai mir das Amtssigill überträgt …«
»Werde ich das?«
»Die Bekleidung mit dem Umhang. Die Übertragung der Autorität. Und du wirst all dies aus freien Stücken und freudig erfüllen.«
»Nein, ich glaube, ich würde lieber freudig und aus freien Stücken noch einmal zehn Jahre in den Stollen von Alta Hannalanna zubringen, bevor ich das tue.«
»Es wäre kein besonders schwieriges Problem für mich, dir diesen Wunsch zu erfüllen.«
»Bestimmt nicht. Du brächtest so etwas fertig.«
»Ich hätte jedenfalls die Macht dazu. Aber vielleicht würdest du Gran Chingada vorziehen? Megalo Kastro – und seine Bergstollen? Trinigalee Chase?«
»Hast du nichts Attraktiveres zu bieten? Trinigalee Chase?«
»Oh, ich kann dich überallhin verschicken lassen. Wie wäre es denn mal wieder mit Mentiroso? Weißt du, ich habe es wirklich in meiner Macht, dich leiden zu lassen, Yakoub.«
»Wodurch du dich selbstverständlich in der ganzen Welt, in der es Roma gibt, noch weit beliebter machen würdest, als du es jetzt bereits bist.«
»Ein Fluch über dich, Yakoub …«
»Droh mir ruhig noch ein bisschen mehr, mein Söhnchen … Das ist bisher die beste Gymnastik, die ich seit Monaten hatte.«
»Draußen herrscht Krieg, weißt du das? Ein Rom bekämpft den anderen. Ganze kumpanias zerbrechen in zwei, drei Fraktionen wegen diesem strittigen Punkt des Königtums. Und dafür bist du verantwortlich.«
»Ich?«
»Ja. Weil du wieder Anspruch auf den Thron erhebst. Indem du Bestrebungen unterstützt, den gesetzmäßig erwählten und gesalbten echten König abzusetzen.«
»So was heißt bei uns eigentlich anders: Der Dieb schreit: ›Haltet
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