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Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Titel: Zigeunerstern: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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dergleichen, hatte Polarca zu mir gesagt, ganz zu Beginn meiner Inhaftierung. Wenn sie da ist, wirst du es wissen. Der Schlüssel wird genau vor deiner Nase auf deinem Teller liegen.
    Was für Essen war es denn, das mir diese durchgedrehten Roboter da servierten? So plötzlich? Nun – natürlich – es war französische Küche. Und wer unter allen meinen Bekannten war von der großen Leidenschaft besessen, die gute alte klassische Tradition französischer Esskultur zu bewahren? Natürlich mein Julien de Gramont, französischer Thronprätendent und Adjutant mit Sonderauftrag bei Seiner Lordschaft Periandros am Kaiserhof. Aber ja. Aber natürlich!
    Es war Julien irgendwie gelungen, sich in den Palast hier einzuschleusen, und nun zauberte er für mich herrlich-köstliche Gerichte, die im Grunde als Botschaften dienen sollten. All diese cassoulets und ragouts und terrines, diese mousses, aspics und soufflés und all die anderen Köstlichkeiten waren nichts weiter als Kassiber, um mir zu verstehen zu geben, dass meine Freunde in der Nähe seien – und dass in kurzer Zeit etwas zu meiner Rettung getan werden würde.

 
     
     
    VII. Canción
     
     
     
    DER SECHZEHNTE KAISER
     
     
     
    Nach unserer Geburt sind wir Dummköpfe. Wir besitzen anfangs nichts weiter als die mitgelieferte Weisheit unseres Körpers, die uns sagt, an welchem Ende des Schlauchs wir fressen, an welchem wir scheißen sollen, das ist im wesentlichen auch schon alles. Doch wir sind hierhergesetzt, um gegen die Entropie anzukämpfen, und Entropie ist das Äquivalent von Dummheit. Deshalb sind wir gezwungen zu lernen. Unsere Aufgabe und Pflicht ist es, Information zu verarbeiten, sie zu nützen und beherrschen zu lernen: Mit anderen Worten – ›unterwegs‹ mehr und mehr Wissen und Weisheit zu erwerben.
    Wenn ich mit zwanzig Jahren noch genauso unwissend bin, wie ich es mit zwei Jahren war, wenn ich mit hundert so dumm bin wie mit fünfzig, dann leiste ich schlechte Lebensarbeit. Ich beanspruche sinn- und nutzlos eine Raum- und Zeitnische. Dann könnte ich ebenso gut ein Brocken Fels sein.
    Aber natürlich kommt auch für den Weisesten unter uns Menschen eine Zeit, da er aufhört, in seinem Wissen zu wachsen, und wieder dumm zu werden beginnt. Vielleicht dauert es zweihundert Jahre, bis es soweit kommt, aber es tritt bestimmt ein. Ich habe mich mit dieser Unausweichlichkeit abgefunden, glaube ich. Sie bedeutet weiter nichts, als dass die Entropie am Ende obsiegt, und das wussten wir ja schon immer. Es spielt auch keine Rolle. Die Tatsache, dass wir einen hoffnungslosen Kampf zu kämpfen haben, ist kein Freibrief für uns, überhaupt nicht zu kämpfen. Die gewaltige Leistung des Menschen ist es, den Augenblick der Niederlage so lange wie möglich hinauszuzögern.

1
     
    Was ich allerdings nicht wusste, das war, dass es im Imperium einige grundsätzliche Veränderungen gegeben hatte. Der Alte Kaiser war schließlich doch gestorben – und ohne einen Nachfolger zu benennen –, und die drei Großlords begannen mit ihren Schachzügen, und so herrschte unter den Gaje wie unter den Roma das Chaos.
    Da ich so fein weggepackt in meiner gemütlichen Kerkerzelle einsaß, drang nichts von alledem an meine Ohren. Als einzige Besucher kamen meine stummen Roboter, die mir immer exquisiter zubereitete Speisen brachten. Es kamen nicht einmal irgendwelche Spukgeister. Und so begnügte ich mich eben anstelle der Nachrichten aus der Außenwelt mit Suprêmes de volaille, Noisettes d'agneau und Grenadins de bœuf. {9}
    Mein Leibesumfang wuchs bestürzend rasch an. Und gleichzeitig sank vor meinen Gefängnismauern der ganze höchst prekär ausbalancierte Rahmen, der die Menschheit im Verlauf der tausend Jahre ihrer Expansion in den Weltraum zusammengehalten hatte, in einem einzigen gigantisch-triumphalen Ausbruch von Selbstsucht und Stupidität in Trümmer.
    Aber stellt euch das nur mal vor! Könige und Kaiser … in diesem 32. Jahrhundert! Als lebten wir noch im finsteren Mittelalter. Pomp und festliches Gepränge, Fanfaren und prunkende Gardesoldaten. Kronen und Zepter. Erbfolgekriege … Es klingt einfach dumm, unreif und kindisch, findet ihr nicht? Aber ich frage euch, welches System hätte besser funktionieren können? Eine Demokratie? Ein Multiwelten-Parlament? Dass ich nicht lache! So was klappt in einem kleineren, begrenzten Maßstab einigermaßen gut – vielleicht. Innerhalb eines einzigen winzigen Ländchens etwa. Ihr erinnert euch vielleicht daran, dass

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