Zigeunerstern: Roman (German Edition)
falls es sich um eine Roma-Invasion handelte, wieso war dann Julien de Gramont in sie verwickelt? Denn es war ziemlich offensichtlich, dass Julien während der letzten paar Wochen meine Speisen zubereitet hatte; niemand sonst besaß eine derartig superbe Meisterschaft … Also hatte Julien vielleicht den Invasoren die Tore geöffnet? Er und Polarca kannten einander gut (tatsächlich waren sie auf vielen Welten alte Bordellbrüder gewesen). Hatten die zwei irgendwie eine Allianz zusammengeköchelt? Warum? Dies wäre denn doch eine etwas seltsame Kampfbruderschaft gewesen. Julien stand zwar allem, was uns Roma betraf, voll Sympathie gegenüber, doch er war doch im Grunde eine Kreatur des Lord Periandros. Und Polarca hatte nun wirklich mit keinem Lord des Imperiums was am Hut.
Nie zuvor hatte ich mir dermaßen heiß gewünscht, es könne möglich sein, nach vorwärts in der Zeit zu geistern, wie in diesem Augenblick. Nur fünf Minuten – oder vielleicht zehn –, nur genug Zeit, damit ich herausfinden konnte, was, in Teufelsnamen, sich im Haus der Macht des Zigeunerkönigs tue. Aber mir blieb nichts, als das Ohr an meine Kerkertür zu pressen und wilde Vermutungen über unheilige Allianzen und böse Verschwörungen anzustellen.
Dann krachte meine Tür und flog auf, und fünf Bewaffnete in der fahlgrünen Uniform der Kaiserlichen Garden stürzten herein.
Sie stammten von Sidri Akrak. Das erkannte ich sofort an den leeren, gefühllosen Akraki-Augen, dem verdrossen hängenden Mund der Akraki und jener eckigen kneifärschigen Art, in der sich die Akraki bewegen. Doch falls das an Erkennungsmerkmalen nicht genügt haben sollte, hätte man sie gewiss an den grellen Armbinden mit den aufdringlichen Senkrechtstreifen der akrakischen Fahne als das erkannt, was sie waren, und an dem großen scharlachroten ›P‹ – für Periandros, natürlich.
Der diensthabende Offizier – auf ihren Schulterspiegeln prangte der Rang eines Phalangarius (oder heißt es ›Phalangaria‹ bei weiblichen Offizieren?) – stapfte auf mich zu und sagte in dieser brüsken und zugleich ausdruckslosen Art, die diese Leute an sich haben: »Wie ist dein Name?«
»Yakoub.« Ich lächelte. »Rom baro. Rex Romaniorum.«
»Yakoub – was?«
»König der Zigeunervölker.«
Die fünf Akrakakaner wechselten ernste Blicke.
»Ihr behauptet also fest, Ihr seid der Roma-König?«
»Ich behaupte es, wahrlich und wahrhaftig.«
»Ach ja, ist es an dem? Weist Eure Identifikation vor.«
»Wie's der Zufall will, habe ich grad meine Ausweispapiere nicht bei mir. Im Übrigen bin ich hier als Gefangener. Wenn ihr mir nicht glaubt, dass ich bin, der ich bin, oder sage, der ich bin, dann schlage ich euch vor, ihr sucht euch einen x-beliebigen Rom, falls ihr einen findet, und fragt ihn nach meinem Namen.«
Der weiblicher Phalangarius(-aria) befahl mit einer Handbewegung einem der Untergebenen: »Such einen Rom! Bring ihn her! Wir werden ihn nach dem Namen dieses Mannes fragen.«
In weiter entfernt gelegenen Trakten des Palastes konnte ich noch immer Explosionen hören.
»Während wir hier warten«, sagte ich, »würde es euch etwas ausmachen, wenn ihr mir sagtet, wer ihr seid – und was hier eigentlich vor sich geht?«
Sie warf mir einen griesgrämig-säuerlichen Blick zu (was sowieso das höchste der mimischen Ausdrucksgefühle darstellt, zu denen Akrakianer fähig sind). Mir kam sie kaum menschlich vor. Und sie sah auch nicht besonders weiblich aus mit ihren kurzgeschorenen Haaren und den zackigen akrakianischen Bewegungen. Eine kaum sichtbare Schwellung unter ihrer Uniformtunika war wirklich der einzige sichtbare Hinweis auf ihre Geschlechtszugehörigkeit. Dass sie ein menschliches Wesen war, das musste ich eben einfach glauben.
»Ich stelle hier die Fragen. Nicht Ihr.«
»Aber trifft es zumindest zu, dass ihr Reichsgardisten seid?«
»Wir stehen im Dienst des Sechzehnten Kaisers«, brachte sie freundlicherweise über die Lippen.
»Des Sechzehnten? « Mir blieb die Luft weg. Darauf war ich nicht vorbereitet. »Aber, wann … wie … wer …?«
»Der Euch früher als Lord Periandros bekannt war.«
Ich blinzelte. Ich holte tief Luft. Also war alles schon vorbei? Die Thronkämpfe, so lange Zeit befürchtet, hatten stattgefunden, während ich hier in meiner Kerkergruft, weitab vom Ort des Geschehens und einflusslos, ›verstaut‹ gewesen war, und irgendwie war es dem kleinen Kneifarsch Periandros gelungen, sich zum Kaiser aufzuschwingen?
Das war ein
Weitere Kostenlose Bücher