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Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Titel: Zigeunerstern: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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wir heil und ganz und vollzählig durch das Zentrum. Uns wurde nie klar, welche Seite uns unter Beschuss nahm. Höchstwahrscheinlich wechselten sie einander alle drei ab und wahrscheinlich hatte auch keiner eine Ahnung, wen sie da beschossen, ebenso wenig wie wir, wer da feuerte. Ein Krieg nach anonymen Fronten – noch mehr so Zeug aus dem zwanzigsten Jahrhundert. Wenn man schon kämpfen muss, dann ziehe ich das ritterliche Mittelalter vor – da kannte man seinen Feind wenigstens beim Namen.
    Die Innenstadt war ein Chaos. Ich hätte mir nicht träumen lassen, dass sie dermaßen viel in dermaßen kurzer Zeit in Trümmer legen konnten. Mindestens ein Halbdutzend der hochragendsten Türme hatten sie auf die halbe Erhabenheit heruntergestutzt. Auf den breiten Boulevards haushohe Schutthalden. Der Himmel von einer dichten schwarzen Rauchdecke verunziert. Ab und zu ragten Arme oder Beine aus den Ruinen: Tod, nicht wieder gutzumachender, endgültiger, haut- und knochenechter Tod! Nicht zählbare Leben – gekappt, halbiert, kastriert wie jene Hochtürme … Frauen und Männer, denen man jedem hundert Lebensjahre oder auch mehr einfach geraubt hatte. Und wofür? Wegen irgendeines erbärmlichen Gezänks darüber, ob die Krone des Gaje-Reichs auf dem Kopf eines Mannes von Fenix oder dem Kopf eines Mannes von Vietoris sitzen sollte, oder vielleicht auf dem Schädel des Animationsbildes eines Toten von Sidri Akrak?
    Inmitten der Verwüstungen gab es trotzdem immer wieder unangemessene Anzeichen von Imperialem Prunk. Himmelsfahnen, die Anwesenheit des Kaisers in der Capitale symbolisierend, flammten im Osten, Süden und Norden. Aber es war ein Sortiment von Himmelstransparenten, wie man sie nie zuvor gesehen hatte, denn sie leuchteten in drei unterschiedlichen Farbkombinationen, jeweils für Periandros, für Naria, für Sunteil. Und wo immer diese feindlichen Lichterfahnen aufeinandertrafen und ineinander prallten, entstand ein derartiges Tohuwabohu im Himmel, dass es einem den Blick trübte und die Sinne verwirrte.
    Und dort droben im Norden, in den Außenringen der Capitale – was hatten diese leuchtend-purpurnen Lichterbanner zu bedeuten? Aber klar doch, das waren die Leuchtzinken des Königs der Zigeuner, des Rom baro, wahrlich und wahrhaftig, sie prangten endlich an der ihnen gebührenden Stelle! Auf Narias Anordnung? Oder Sunteils? Nun ja, inzwischen war das alles nichts weiter als ein Haufen nutzlose Schmeichelei. Glaubten diese Leute im Ernst, sie könnten sich meine Bündnistreue mit ein paar Lichterspielen erkaufen?
    Der Palast war durch ein System immer raffinierterer Sicherungsmaßnahmen abgeschirmt. Ein Kreis von Deflektorschirmen zunächst, die das ganze Areal mit einem purpurblauen Glühen einhüllten. Dahinter schimmernde Panzerfahrzeuge, nichts als spähende Augen und drohende Geschütze. Danach eine Phalanx von Robotern. Dann eine Schutztruppe aus Androiden. Auch starke Kontingente von Humansoldaten – oder, wahrscheinlicher, Doppelgängersoldaten, die man hastig gestanzt hatte, um dem Katastrophenzustand zu begegnen. Scanner. Luftüberwachung. Schwebwolken mit tödlichem Antipersonenschrot, unter Kontrolle gehalten von Magnetnetzen. Und noch mehr von all diesem Zeug. Viel mehr. Alles vom Allerneusten, die jüngste Generation von Monstrositäten aus den Hexenküchen einer wundervollen widernatürlichen Technik. Das unglaubliche Angebot an Abwehrmaßnahmen sagte mir ebensoviel über Naria, wie es mir Rückschlüsse auf die derzeitige militärische Schlagkraft und Kampfbereitschaft innerhalb des Imperiums verriet.
    Es dauerte über eine Stunde, bis wir sämtliche Checkpoints passiert hatten. Aber dann gelangten wir immerhin doch vor den Mann, der – für den Augenblick – den Titel des Sechzehnten Kaisers führte.
    Keine Thronbühne diesmal, keine Kristalltreppe. Statt dessen hatte man in dem gewaltigen hohen Kuppelsaal, der ›Kammer‹ des Palastes, einen mächtigen Glaskubus (jedenfalls sah es aus wie Glas, war es aber möglicherweise gar nicht) aufgebaut. An allen vier Kanten stieg vom steinernen Fußboden her eine abschreckende blaue Feuerlohe auf. Scannerstrahlen strichen hoch oben unablässig in jeden Winkel. Und ganz tief im Innern dieses Würfels, thronend wie ein uralter Pharao in absoluter unzugänglicher Unerreichbarkeit, saß der selbsternannte Kaiser Naria, reglos wie eine Statue, gespannt und schlank wie eine Peitsche und so erhaben, als wäre er ein Gott. Um ihn herum herrschte Finsternis,

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