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Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Titel: Zigeunerstern: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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die Wangen … sogar der Schnurrbart. Ein älterer Yakoub … ein uralter Yakoub. Ein Yakoub, dem man seine Jahre endlich ansah: noch nicht kraftlos, noch stark, bei weitem noch nicht der wandelnde Leichnam, den Sunteil sich als Verkleidung gewählt hatte … aber eindeutig eine Yakoubinkarnation, die mich über eine weite, sehr ferne Zeitstrecke her aufsuchte. Und daraus gewann ich in dieser Stunde wahnwitziger Verstörtheit eine Art von Trost, nämlich dass mein Lebensfaden noch eine ganze Weile weiterlaufen würde, ehe er bis zum Ende auf die Spule aufgewickelt war.
    Er griff nach mir, dieser andere Yakoub, und seine Gespensterfinger fassten mich am Handgelenk, als wolle er mich am Fliehen hindern. Sein Gesicht kam dem meinen ganze nahe, und die Augen bohrten sich tief in die meinen.
    »Ist Valerian schon hier gewesen? Um dir zu sagen, dass du schleunigst hier verschwinden sollst?«
    Ich nickte. »Vor fünf Minuten. Vielleicht vor zehn.«
    »Gut. Gut. Ich hatte schon befürchtet, ich könnte zu früh kommen. Also, hör mir zu, Yakoub! Valerian begreift nichts, gar nichts. Der tanzt da einfach aus einer Perspektive von ein paar Projektivwochen zurück, hat er dir das nicht gesagt? Viel zu knapp, um die ganze Geschichte zu überblicken. Und er liegt absolut falsch, wenn er dich drängt, du sollst aus der Capitale verschwinden. Du musst hierbleiben. Hörst du mich, Yakoub? Du bleibst genau hier, egal was passiert! Es ist von höchster Wichtigkeit, dass du hier in der Hauptstadt bleibst. Hast du mich verstanden?«
    In meinem Kopf tobte es. Und ich fühlte mich sechstausend Jahre alt. Ein heißes Bad. Ja – ja – ein paar Gläser Schnaps ja – und Schlafen … Schlafen …
    »Hörst du mich, Yakoub?«
    »Jaaah. Jaah … In der Hauptstadt … bleiben …«
    »Richtig, und jetzt wiederhol das noch mal: Ich bleibe in der Hauptstadt, egal was passiert .«
    »Bleib … in der … Hauptstadt … egal … was …«
    »Wunderbar. Genau richtig!«
    Er verschwand. Und dann ließ eine furchtbare Explosion das Gebäude schwanken. Und dann eine weitere. Und noch eine. Ich rannte zu einem der Fenster. Der Himmel stand in Flammen. Und über und hinter den gefräßig lodernden Feuerzungen der Brände wehten strahlend hocherhaben und fröhlich die Signalbänder der drei rivalisierenden Kaiser kraus über das Firmament.
    Mir war, als hätte mich ein Wirbelwind erfasst. Immer wieder kam der fürchterliche entsetzliche Lärm der Kämpfe, die draußen tobten. Die Welt ging in Trümmer – und ich auch. Ich strengte mich gewaltig an, mich vor dem Zersplittern zu bewahren, aber es war eine unmögliche Bemühung. Ich – es – wirbelte mich – es – über jede Kontrolle hinaus. Eine Kraft, gegen die es keine Gegenwehr mehr gab, zerrte mich von mir, aus mir selber fort … und schleuderte mich – wie ein paar verstreute Atomstäubchen – nicht einmal eine Handvoll – in die Wirbelstürme von Raum und Zeit …
    … es war wie damals, als ich zum ersten Mal auf einen Geistertrip ging. Mir war, als würde meine Seele gewaltsam auseinandergezerrt und in zwei Hälften zerrissen.

 
     
     
    VIII. Canción
     
     
     
    DIE GROSSE KUMPANIA
     
     
     
    Was wir Anfang nennen, ist oft das Ende
    und ein Ende machen ist gleich einem neuen Beginn.
    Das Ende ist unser Ausgang.
     
    (Im Gefolge dieser Liebe, von dieser Stimme berufen) {12}
    Werden wir nicht nachlassen in unserem Forschen
    und am Ende aller Forschungsreisen
    werden wir an unseren Ausgangspunkt gelangen
    und zum ersten Mal den Ort wahrhaft erkennen.
     
    T. S. E LIOT , Vier Quartette: Little Gidding

1
     
    Der Ort war Nabomba Zom. Und dieser Mann war Loiza la Vakako. Jedenfalls kam es mir so vor. Dass es sich um Nabomba Zom handeln müsse, daran hegte ich kaum Zweifel, denn wie viele andere Planeten kennen wir schon, auf denen das Meer blutrot ist und der Sand ein blasses Lavendelblau? Aber war der Mann da auch wirklich Loiza la Vakako? Er sah so jung aus. Der Mann, den ich einst gekannt hatte, hätte in jedem Lebensalter stehen können, nur war er gewiss nicht jung gewesen. Dieser aber, der da am Gestade der kochenden See allein dahinschlenderte, wirkte nicht älter, als ich selbst es zu jener fernen, fernen Zeit gewesen war, als ich das Leben eines jungen Prinzen im Palast des Loiza la Vakako lebte.
    In gebührender Spukhöhe über dem feuchten Sand machte ich mich ihm sichtbar. Er schien überhaupt nicht erstaunt, als ich plötzlich direkt vor ihm schwebte, sondern sah eher aus,

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