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Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Titel: Zigeunerstern: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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hat. Und ich, der ihr König war, sollte diese ganze Katastrophe auch noch kraft meines Amtes absegnen.«
    Ein schneidender Windstoß fuhr über die vereiste Ebene, wirbelte Schneedriften hoch und schleuderte sie uns entgegen. Die scharfen weißen Wirbel schnitten durch Syluise hindurch, ohne dass sie sie zu spüren schien.
    »Aber deine Abdankung, Yakoub«, sagte sie leise, »wie sollten dadurch die Dinge besser werden?«
    »Sie haben mich nötig«, sagte ich. »Sie haben bereits einen Boten herübergeschickt und mich dringlich bitten lassen, ich solle zurückkommen. Es werden andere kommen. Mich bitten. Sie werden meine Bedingungen wissen wollen. Und dann werde ich sie ihnen sagen. Und sie werden keine andere Wahl haben. Denn ich werde wieder König sein, Syluise. Aber diesmal werden sie mir folgen müssen, wohin immer ich sie führen will. Und das Ziel heißt: Der Stern der Roma.«
    »Ach, Yakoub«, sagte sie wieder, und die Aura um sie wurde so dicht wie das Herz einer Sonne. Ich vermochte sie nicht länger zu sehen, aber hören konnte ich sie noch. Weinte sie etwa – in dieser versengenden Energie-Eruption?
    Nein. Der Laut, den ich hörte, war ein Lachen.
    Syluise! Diese herzlose Hure! Der Hass, den ich in diesem Augenblick gegen sie verspürte, hätte ausgereicht, um eine Flottille von Interstellarschiffen von einem Ende der Galaxie bis ans gegenüberliegende zu schleudern.
     
     
    3
     
    Wenn ich allein war, konnte ich manchmal die Gegenwart der Zigeunerkönige aus längstvergangenen Jahrhunderten fühlen, wie sie sich in meine Seele drängten. Ich spürte nahe bei mir Chavula, diesen kleinen unnachgiebigen Mann, der die Gaje gezwungen hatte, uns an Bord ihrer Schiffe zu lassen. Und Ilika mit seinem roten Flammenbart, der uns den Sprung lehrte, die rasche Umwandlung der romeno Geisteskraft in Energie, mit der Lichtjahre durchflogen werden konnten. Claude Varna, der große Forscher und Entdecker neuer Welten. Tavelara, Markko, Mateo, Pavlo Gitano … sie alle bedrängten sich gegenseitig in mir, übertrugen ihren Kampfgeist auf mich, trieben mich an, weiterzugehen. Aber es kamen auch andere Könige, dunkle Gestalten, namenlos, gesichtslos, Könige aus unvordenklichen Zeiten, die Könige der Alten Welt, die ungehobelten Könige der Wanderstraßen der Erde; und sogar noch ältere Könige, Könige aus der Zigeunerstadt Atlantis, sogar Könige noch vom Stern der Zigeuner. An jenem Tag, an dem ich zum großen Rom baro gewählt wurde, waren sie allesamt in mich eingegangen und reisten noch immer in mir fort, denn ich konnte sie auch weiterhin in mir fühlen. Dafür war ich dankbar.
    Aber wer waren diese anderen, die da dunkel im Dunst lauerten? Ich vermochte sie nicht zu sehen, aber fühlen konnte ich sie, diese geheimnisvollen Unbekannten. Ich hatte nur eine Ahnung, wer sie sein mochten. Könige, die da erst noch kommen sollten, das waren sie, Yakoubs Nachfolger, die Könige der noch ungeborenen Zukunft waren sie, die sich in meiner Seele regten. Ich wusste, ich würde sterben müssen, um ihnen die Freiheit zu schenken, auf dass sie ihre Lebensschicksale erfüllen könnten. Bei diesem Gedanken verspürte ich einigen Schmerz; aber es war unumgänglich, ich würde sterben müssen. Und auch dies war gut so. Gebt mir die Möglichkeit, mein eigenes Schicksal zu Ende zu leben, ihr kommenden Könige alle, und dann sei euch das eurige vergönnt!
    Syluise hatte über mich gelacht. Schön, sollte sie ruhig lachen. Ich wusste, warum mir die Königschaft übertragen worden war, und ich gedachte zu erfüllen, wozu ich auserwählt worden war. Sie hatten mich gewählt, weil in mir die Vision stärker brannte als in irgend jemandem sonst; und selbst wenn inzwischen alle die übrigen dieser Vision gegenüber blind geworden waren, ich war es nicht. Ich erbat mir nur eines: dass ich lange genug leben dürfe. Mehr verlangte ich nicht. Ich fürchtete nur das eine, dass ich sterben könnte, ehe ich den Stern der Roma meinen Leuten hätte zurückgeben können. Na, wenn schon, werdet ihr vielleicht fragen. Was konnte mich das stören, wenn ich zu früh sterben sollte? Dann wäre ich eben tot – und was könnte mich dann noch irgend etwas kümmern?
    Wenn ihr so fragt, dann versteht ihr nichts. Gar nichts!
    In mir lag die Macht zu vollenden, was vollendet werden musste. Aber wenn ich diese Kraft besaß und es unterließ, sie zu benützen, so war das schändlich und verachtungswürdig. Mein Volk würde mich für alle Zeiten verfluchen. Und

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