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Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Titel: Zigeunerstern: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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königlichen Prätentionen und seinem leicht entflammbaren gallischen Temperament.
    Nun, ich entschuldigte mich ausgiebig, und er wiederholte beharrlich immer wieder, es sei ja nur ein harmloser Irrtum gewesen; dann bat ich ihn in meine Eishöhle und braute ihm einen Eimer voll dampfenden Kaffees – nach unserem uralten Romanirezept (»Schwarz wie die Sünde, heiß wie die Hölle und süß wie die Liebe«); und fünf Minuten später war die ganze Geschichte vergessen, keine Beleidigung beabsichtigt, keine erfahren. Julien hatte mir Geschenke mitgebracht, zwei ganze Übertaschen voll, und er machte sich jetzt daran, sie aus der Speicherdimension herüberzuzaubern und auf meinem Igluboden aufzuhäufen. Mein lieber, guter alter Julien, noch immer um das Wohlbehagen meines Gaumens und meines Magens besorgt! » Homard en civet de vieux Bourgogne, Hümmerragout in alte Wein aus Bürgünd«, verkündete er und holte eine jener raffiniert konstruierten bauchigen Dosen hervor, die dir ein Gericht auf bloßen Knopfdruck hin mundgerecht erhitzen. »Carrés d'agneau rótis au poivre vert, Lammrippchen mit grüne Pfeffer gebratet. Fricassée de poulet au vinaigre de vin, Hühnchenfrikassee in Weinessig. Pommes purées, Apfelmus. Les filets mignons de veau au citron, Kalbsmedaillons mit Zitrone. Alles ist genau hinaufgeschrieben, mon ami. Alles ist echt frahnsösisch, keine grotesken Gerichte von galgalesischen Viehhierten, keine übelriechenden Breis und Eintöpfe aus Kalimaka, keine zuckenden gallertigen Scheußlichkeiten aus den Sümpfen von Megalo Kastro. Hier, schau, da, nimm! Du hast gern Nierchen? Du hast gern Kalbsbries? Voilà, Fricassée de rognons et de ris de veau aux feuilles d'épinards! Eh, mon frère? Coquilles Saint-Jacques? Jakobsmüscheln. Ah, voilà, Pâté de fruits de mer en croûte, Pastetchen aus Meeresfrüchten in krosser Krüste? La Bouillabaisse Marseillaise, eh? Ich habe dir alles mitgebracht.«
    »Julien, du überwältigst mich mit deiner Güte!«
    »Ich habe dir genügend mitgebracht, dass du immerhin zwei Jahre lang wie ein menschliches Wesen wirst essen können, vielleicht auch drei Jahre. Es war das wenigste, was ich für dich tun konnte in deiner kulturfernen Einöde. Zwei Jahre de la cuisine française .« Er warf mir einen listigen Blick zu. »Wie lange gedenkst du noch hier zu verweilen, mon cher? Zwei Jahre noch, eh? Drei? Vier?«
    »Bist du gekommen, das herauszufinden, alter Freund?«
    Das Blut stieg ihm in die Wangen.
    »Es beunruhigt mich, dein langes Fernbleiben von den zivilisierten Welten. Ich betrübe mich deinetwegen. Dein Volk ist bekümmert deinetwegen. Du bist ein bedeutender Mann, Yakoub.«
    »Unter uns Roma«, erklärte ich ihm, »meinen wir ›gewichtig‹, wenn wir ›bedeutend‹ sagen. Hast du das gewusst? Für uns ist ein ›bedeutender Mann‹ einer mit einem dicken Bauch!« Ich betrachtete die Dutzende Stapel von Menübehältern, die überall in der Eisblase aufgeschichtet standen, und dachte an die zahllosen anderen, die noch in der Speicherdimension ruhen mochten. Ich tätschelte meine Leibesmitte, die im Verlauf meiner letzten paar Jahren tatsächlich »königlich« geworden ist. »Das ist also der Grund, warum du mir all diese Köstlichkeiten bringst, Julien? Du willst aus mir einen noch ›bedeutenderen‹ Mann machen, als ich es sowieso schon bin?«
    »Die Welten rufen nach dir, Yakoub.« Plötzlich war sein affektierter französischer Akzent völlig verschwunden, und er sprach reinstes Imperial. »Es herrscht da draußen ein gewaltiges Durcheinander, weil es keinen König gibt. Auf den Sternenstraßen verschwinden Schiffe; das Piratentum nimmt zu; Differenzen unter großen Männern schwelen ungelöst fort. Dein Volk braucht dich sehr dringend. Sogar das Reich braucht dich. Bist du dir dessen bewusst, Yakoub?«
    »Sei nicht beleidigt, Julien – aber ich würde gern wissen, wer dich beauftragt hat, zu mir zu kommen.«
    Er blickte verlegen drein. Er zupfte an seinem Spitzbärtchen herum. Er hantierte mit den Speisecontainern, befummelte die Etiketten. Ich ließ die Frage einfach zwischen uns in der Luft hängen.
    »Was meinst du damit, wer mich beauftragt hat, zu dir zu kommen?«, fragte er schließlich.
    »Aber das ist doch keine allzu komplizierte Frage, oder?«
    »Ich bin gekommen, weil man dich vermisst. Weil du gebraucht wirst.«
    »Verstecke dich nicht hinter anonymem ›man‹ und Passivverben, Julien. Wer vermisst mich? Wer braucht mich? Wer hat dich dafür

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