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Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Titel: Zigeunerstern: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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bezahlt, dass du dich in einen Relaissammler quetschst und herkommst, um mit mir zu reden?«
    Nach einer Pause sagte er mürrisch: »Es war Periandros.«
    »Ah. Was für eine Überraschung.«
    »Wenn du es sowieso gewusst hast, wozu fragst du mich dann?«
    »Um deine Antwort zu hören.«
    »Yakoub!«
    »Schon gut. Also schickt dich Periandros. Bedeutet dies, dass demnächst auch Narias Mann hier auftaucht?«
    Er zog die Brauen zusammen. »Was meinst du damit?«
    »Die drei Lords des Imperiums meine ich. Sunteils Mann ist vor kurzem von hier abgereist. Jetzt bist du hier, im Auftrag von Periandros. Es dürfte also nur logisch sein, dass auch die Nummer Drei sich irgendwie an mich heranmachen wird, oder vielleicht auch der Archimandrit, oder sogar – Gott bewahre! – der Kaiser selber. Sofern der Kaiser noch lebt.«
    »Der Kaiser lebt noch«, sagte Julien. »Was war das über Sunteil?«
    »Er hat mir einen Rom namens Chorian geschickt.«
    »Ich kenne Chorian. Äußerst jung, aber sehr kompetent. Und sehr trickreich – wie ihr Zigeuner alle.«
    »Ach, ist er das? Sind wir das?«
    »Worüber macht sich denn Sunteil Sorgen?«
    »Dass meine Abdankung nur eine Art Finte ist und dass ich ins Reich zurückkehren werde, wenn man am wenigsten mit mir rechnet, um dann möglichst große Schwierigkeiten zu bereiten.«
    Julien strahlte mich vergnügt an. »Aber natürlich ist deine Abdankung nur eine Finte. Und Sunteil sollte sich lieber fragen, warum du zu diesem Mittel gegriffen hast und was man tun könnte, um dich zur Aufgabe des Spiels zu veranlassen, das du spielst.« Darauf gab ich keine Antwort. Er schien allerdings auch mit keiner gerechnet zu haben. Er betrachtete mich eine Weile, dann wandte er sich mit einem kaum merklichen verständnisinnigen Heben seiner exquisit geformten Augenbraue von mir weg und begann in meiner Eisblase herumzuwandern; er nahm dieses Stück auf oder jenes und befühlte meine kostbarsten Besitztümer mit dem geübten Griff eines Trödlers vom Flohmarkt, was übrigens einer der zahlreichen Berufe ist, die er zu Zeiten ausgeübt hat. Ich störte ihn nicht dabei. Er würde nichts beschädigen. Er befühlte einen grellgelben diklo, einen Romaumhang, den irgendwer vor fünfzehnhundert Jahren in dem untergegangenen sagenumwobenen Land Bulgarien getragen hatte. Er streichelte die Mantilla der Chunga. Er fingerte einen raschen Rhythmus auf meinem antiken Tamburin, und dann legte er voll Ehrfurcht die Hände auf meine lavuta, meine Zigeunergeige, die wie alles übrige hier von Rom zu Rom vererbt wurde seit den Tagen, als die Erde noch stand.
    »Darf ich?«, sagte er.
    »Bitte, bedien dich!«
    Er setzte sie unters Kinn, trommelte sacht auf die Resonanzboden, griff nach dem Bogen. Und dann ließ er die alte Fiedel lachen und ließ sie weinen, und dann ließ er sie singen. Und das alles in acht oder neun Takten. Mit leuchtenden Augen blickte er mich triumphierend an.
    »Du spielst wie ein Rom«, sagte ich zu ihm.
    Ein übertrieben bescheidenes Achselzucken. »Du schmeichelst wie ein Rom.«
    »Wo hast du das gelernt?«
    Er geigte noch ein paar Takte weiter. »Vor vielen Jahren, auf Sidri Akrak. Dort gab es einen alten Rom, der sich ›Zigeuner Bicazului‹ nannte. Er spielte auf der Agora vor dem Palast des Trierarchen, und Periandros schickte einen seiner Phalangisten zu ihm hinaus und ließ ihn hereinbitten; und danach war dieser Bicazului dort anderthalb Jahre lang Hofmusiker. Er spielte die lavuta, die zitâra, das pandero, einfach alles. Und ich habe ihn gebeten, mir einige der alten Melodien beizubringen.«
    »Es gibt Augenblicke, Julien, in denen ich mir in Erinnerung rufen muss, dass du kein Rom bist.«
    »Es gibt Zeiten, wo es mir genauso geht«, antwortete er.
    »Was ist aus ihm geworden, aus deinem Bicazului? Wo ist er jetzt, was meinst du?«
    »Es ist so lange her«, sagte Julien und machte eine vage Handbewegung. »Und er war sehr alt.« Er legte die Geige nieder und trat ans Fenster. Dort stand er lange und starrte hinaus. Die gelbe der zwei Sonnen stand tief über dem Horizont, und die Wolken verdichteten sich; ein Sturm braute sich zusammen. Die Tentakeln meiner Bäume bewegten sich langsamer als gewohnt. Lange danach sagte Julien: »Es gefällt dir hier, Yakoub?«
    »Mir scheint dies alles hier als wunderschön, Julien. Ich fühle mich hier wohl und bin im Frieden mit mir selbst.«
    »Vraiment?«
    »Ja, wahrhaftig, vraiment und wirklich.«
    »Ein seltsamer Ort für dich, Yakoub, im Herbst

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