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Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Titel: Zigeunerstern: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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tausend Jahren oder vor zweien war, als ich spukend als Geistwanderer umherzog, um zu sehen, was es zu sehen gab.
    Ihr zweifelt an meinen Worten? Aber warum wollt ihr mir denn nicht glauben?
    Glaubt mir. Denn ich weiß, wovon ich rede. Wie sollte es denn auch anders sein? Wenn ich euch etwas erzähle, dann deshalb, weil ich weiß, dass es wahr ist. Ich bin zu alt, um zu lügen, oder doch jedenfalls, um mich selbst zu belügen; und das, was ich hier berichte, muss ich mir zunächst einmal selbst vorsagen, ehe ich es zu euch sagen kann. Ich würde euch anlügen wie ein geölter Blitz, wenn ich darin irgendeinen Vorteil erkennen würde. Aber hier gilt das nicht. Hier kann ich nur gewinnen, wonach ich trachte, wenn ich die reinste Wahrheit spreche.
    (Also, vielleicht ab und zu die eine oder andere winzige Lüge. Immerhin bin ja auch ich nur ein Mensch. Aber keine großen Lügen. Glaubt es mir!)
    Als ich mich zu meinem Leben auf Mulano aufmachte, hinterließ ich mein persönliches patrin an fünfzig Stellen. Aber natürlich war mein Zeichen nicht eine Angelegenheit von ein paar auf eine Mauer gekritzelten Kohlezinken. Wir leben immerhin in den Tagen des Reichs, und heute sprüht einem jeden die Magie aus den Fingerspitzen. Also markierte ich meinen Weg vermittels feuriger Zeichen im Abendhimmel über Galgala, und ich schrieb meine Spur in schimmerndem Blau und Gold auf die Panzer einer Schar von Windskarabäen auf Iriarte und versteckte sie tief in den Schmuddelträumen eines übelriechenden kleinen Diebes auf Xamur. Und ich setzte meine Marken auf andere Art an allen möglichen Orten im ganzen Reich. Ich hegte keinerlei Zweifel daran, dass man mich finden werde. Nur lass sie mich nicht zu schnell finden, betete ich.
    Der erste, der mich aufspürte, war, wie gesagt, ein Rom. Das war erfreulich, dass ein Rom als erster kam. Schließlich ist es nur recht und billig, wenn einem die eigenen Leute die Vorurteile bestätigen, die man ihnen gegenüber hegt. Er war jung und sehr groß und trug seine Haut mitternachtsdunkel; er hatte blitzendweiße Augenbälle und Zähne, und über seine Schultern wallte eine Mähne schimmernder schwarzer Haare. Und weil er dermaßen schlank und schmal war, umgab ihn eine irgendwie zerbrechliche Schönheit, so dass er fast wie eine Frau wirkte. Aber ich erkannte gleich, dass er stark genug war, Steine zwischen seinen Händen zu zerquetschen.
    Er näherte sich mir, als ich gerade am Westrand des Gombogletschers nach Würzfisch angelte. Es war so lange her, seit ich ein echtes wirkliches lebendiges anderes menschliches Wesen gesehen hatte, das kein Gespenst war, kein Doppelgänger und kein Wiedergänger, dass ich wahrhaftig für einen Atemzug lang bestürzt war. Fast wäre ich davongerannt. Ich konnte die starken Lebensvibrationen spüren, die von ihm ausstrahlten und die von meiner Seele zurückprallten mit dem Klirren von tausend Tamburins.
    Aber ich harrte aus und riss mich zusammen. Was immer er von mir verlangen wollte, er würde es nicht erhalten, und sollte es tatsächlich auf Hieb und Stich gehen, so war ich entschlossen zu beidem, zum Zuschlagen und zum Zustechen. Könige sind nun einmal so. Man braucht zwar nicht unbedingt ein übler Mistkerl zu sein, um ein König zu sein, aber in der Regel wird man gar nicht erst König, wenn man ein Schlappschwanz ist.
    Der Junge bot mir das Zeichen und den alten Gruß der Rom.
    »Sarishan, Yakoub.«
    Dann (immer noch in der Sprache der Roma, dem alten Romansch) wünschte er mir ein langes Leben und viele Söhne und die fortwährende Gunst der Götter und Engel und sagte noch ein paar andere schöne mittelalterliche Floskeln zu mir.
    »Ich spreche Reichsgalaktisch, Kleiner«, sagte ich, als ihm die Worte auszugehen schienen. Manchmal ist es ganz nützlich, wenn man sich unerwartet ein bisschen anmaßend und herablassend gibt: das verwirrt die Leute, und du hast inzwischen Zeit, dir zu überlegen, worauf sie abzielen. Dieser Junge allerdings sah wirklich zu unschuldig aus, als dass von ihm große Überraschungen zu erwarten gewesen wären.
    Er biss sich auf die Lippen. Er hatte wohl damit gerechnet, dass ich ihm mit einem Schwall patriotischer Romanschwörter antworten würde. In der großen heiligen alten Sprache … und so fort.
    Er gaffte mich verwirrt an. Dann fragte er: »Aber du bist doch Yakoub?«
    »Was glaubst du denn, wer ich bin?«
    Ich meinte fast zu hören, wie in seinem Kopf die Rädchen zu schnurren begannen, kick-knirsch-klick. Ja, sagte

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