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Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Titel: Zigeunerstern: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Ort war ausgespielt; früher, als ich es mir vorgestellt hatte – und ohne dass ich dabei den Preis gewonnen hätte, auf den ich gehofft hatte. Und jetzt ging es wirklich nur noch darum, zu retten, was noch zu retten war, und gar nicht mehr um Sieg.
    Dann stand Damiano hinter mir. Wortlos.
    »Ich werde wohl so anderthalb Tage brauchen, um meinen Kram hier zusammenzupacken«, sagte ich.

 
     
     
    III. Canción
     
     
     
    ERSCHIENEN BIN ICH ALS DIE ZEIT
     
     
     
    K RISHNA :
    Erschienen bin ich als die ZEIT, Zerstörerin der Völker
    Die bereit sind für die reife Stunde ihres Untergangs.
    All die unendlich Vielen müssen sterben; erhebt zum Streich die Hand oder lasst sie sinken – es ist alles eins.
    Darum schlagt zu. Gewinnt euch Königreiche, Reichtum und Ruhm.
     
    – Aus dem Bhagavad-gita (›Der Gesang des Erhabenen‹)

1
     
    Ich hatte nie damit gerechnet, jemals König von irgendwem oder etwas zu sein. Das ist die Wahrheit, gleichgültig, was Syluise glaubt. Aber natürlich hing die Prophezeiung praktisch schon über mir, seit ich mir allein die Nase putzen konnte, aber es dauerte Jahre – praktisch ein ganzes Leben –, ehe mir aufging, was damals, in meiner frühen Kindheit auf Vietoris, der Geist der Bibi Savina mir zu sagen versuchte. Erst nachträglich drang ich in die Geheimnisse ihrer Beschwörungen und Zaubersprüche ein. Vermutlich könnte ich euch vormachen, dass mich von Anfang an eine Leidenschaft erfüllt hätte, der Erste zu sein, der Kerl an der Spitze, der allen anderen sagt, was sie zu tun haben, und der nicht glücklich ist, wenn man ihm nicht täglich die Stiefel leckt – aber das wäre eine Lüge. Ich war überhaupt nicht so, als ich klein war. Möglich, dass ich dann später so wurde – ein bisschen so –, aber vergesst bitte nicht, dass das Königtum bei ansonsten bescheidenen Männern seltsame Wirkungen zeitigen kann. Zu Beginn wollte ich eigentlich nichts weiter, als den morgigen Tag erleben, und dann den darauffolgenden, und wollte auf dem schmalen Weg zwischen Leiden und Schmerz auf der einen und dem Ende aller Qual auf der anderen Seite weiterschreiten und jeden Tag möglichst freudig genießen. Auch wenn ich ein Sklave war, auch wenn ich zu ewigdauerndem Exil verurteilt war – was ich mir ersehnte, war ganz schlicht: kein Königreich, sondern Freude.
    Mein Vater war Romano Nirano, ein wahrer Rom unter den Roma, ein Mann mit königlichem Charakter bis in die Fingerspitzen. Ihr erinnert euch vielleicht, ich wurde ihm genommen und in die Knechtschaft verkauft, als ich sieben Jahre alt war, aber ich kann ihn noch heute so klar sehen, als stünde er hier dicht an meiner Seite: sein breites Gesicht mit den schweren Wangenknochen, die kraftvollen gedankenbrütenden Augen unter den tiefhängenden Lidern, der dichte gewellte Schnurrbart, die grandiose schwarze Locke über seiner Stirn. So ist auch mein Gesicht. Wir tragen dieses Gesicht durch alle die Tausende von Jahren seit unserer Vertreibung aus unserer Zigeunerwelt, von unserem Stern der Roma, und ich glaube, es ist ein Gesicht, das bis ans Ende aller Zeit bestehen bleiben wird. Genau wie wir.
    Als ich geboren wurde, war mein Vater bereits ein Sklave. Er hatte nämlich von seinem Vater einen derart katastrophalen Schuldenberg geerbt, dass er nicht hoffen konnte, ihn in fünf Leben abzutragen. Der alte Herr hatte mit Monden spekuliert und bei dem panischen Börsenkrach im Jahr 2814 alles verloren, da damals sämtliche Schwermetalle völlig wertlos geworden waren; und in der Folge gehörten wir eben jahrhundertelang zu den ›schicksalhaft‹ Armen. Mein Vater hätte unsere Schulden durch die Bankrotterklärung abwälzen können, doch mein Vater hielt so etwas für Feigheit.
    Also verkaufte er sich und meine Mutter und meine fünf Brüder und Schwestern und mich gegen den Schuldentilgungstitel. Die Debets der Familie wurden in den Büchern gelöscht, und wir wurden die Sklaven von Volstead Factors, einer großen interstellaren Corporation, die ihrerseits ein Reichslehen war.
    »Es ist nicht entwürdigend, Sklave zu sein«, sagte mein Vater zu mir. Ich war damals fünf Jahre alt und hatte soeben entdeckt, dass ich anders war als die meisten übrigen Kinder. Ich ›gehörte‹ nämlich anderen Leuten. »Es ist eine geschäftliche Abmachung, weiter nichts. Es mag vielleicht unbequem sein, aber es ist keine Schande, niemals. Es ist natürlich ein Zustand, den man möglichst bald ändern will, und wenn sich dir die Möglichkeit

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