Zigeunerstern: Roman (German Edition)
sparen, ranschaffen und noch mehr sparen zu müssen. Ich fand sehr rasch heraus, wie leicht man ihnen die Zechinen abluchsen kann. Bei den Frauen brauchst du nur stark an ihren latenten Mutterinstinkt zu appellieren, dann flutscht das Ganze glatt. Du brauchst sie nur soweit zu bringen, dass sie dich bemuttern zu müssen glauben – und sie blechen und blechen und blechen …
Gerechter Himmel, wie oft wünschte ich mir später, dass ich zu jener Zeit schon älter gewesen wäre! Ich verbrachte meine Arbeitsstunden in der oder jener parfümgetränkten Lusthöhle, ließ mich von den Bewohnerinnen an ihre seidenweichen bebenden Brüste drücken, oder ich rieb schmeichelnd meine Wangen an die weichen Bäuche mit den Edelsteinen im Nabel. Sogar nach all diesen vielen Jahren erinnere ich mich noch deutlich an sie und weiß sogar noch, wie sie sich nannten: Mermela, Andriole, Salathastra, Shiwele. Ah, der Duft ihrer Leiber. Der Seidenschimmer auf den Schenkeln und Hüften. Die rosenknospigen Brustwarzen, all diese Massen von wogendem nachgiebig-bereitwilligem Fleisch. Und sie waren alle schön, eine wie die andere. (Also, der Wahrheit zuliebe muss ich einräumen, dass es vielleicht nicht ganz so war; aber so habe ich sie nun einmal in Erinnerung, also wollen wir dabei bleiben? Dass sie alle schön waren?) Ich durfte sie überall berühren. Und sie reagierten auf meine Tapsigkeiten mit Kichern und freimütigem Lachen, und sie hatten es gern. Vor allem aber hatten sie mich gern. Wenn Freier kamen, verschwand ich meist blitzschnell durch die Hintertür, aber manche mochten es auch, wenn ich dabei blieb und mich hinter irgendwelchen Vorhängen versteckte, wo ich dann dem Gekeuche und Gegrunze zuhören konnte. Ab und zu schaute ich auch zu. Ihr begreift? Ich lernte in sehr jungen Jahren eine ganze Menge. Und meine Bettlerschale füllte sich mit den Oboloi und Tetradrachmen, und hin und wieder war auch einmal ein in allen Regenbogenfarben schimmerndes Fünf-Cerce-Stück dabei.
Im Hurenviertel war ich für alle das Maskottchen, der kleine Spielbub für alle. Einige der jüngeren Sexualhelferinnen – sie waren wohl kaum selber älter als dreizehn oder vierzehn Jahre –, waren sogar bereit, mir sozusagen Anleitungen aus erster Hand in den Geheimnissen der Liebe zukommen zu lassen. Aber da ich ja erst sieben Jahre alt war, wäre das nicht nur eine schändliche Handlung gewesen, sondern auch außerdem noch Zeitverschwendung für beide Beteiligten. Für mindestens ein paar weitere Jahre gab ich mich darum mit der Rolle des durch Zusehen Lernenden zufrieden.
Aber wie das Geld hereingerollt kam! An manchen Tagen konnte ich meine Sammelschüssel kaum bis zur Loge zurücktragen. So voller Münzen war sie. (Im Übrigen war auch mein Recorder randvoll mit Intimgeschwätz aus den Hurenhäusern. Ich wusste damals noch immer nicht, dass auch die höherrangigen Mitglieder unserer Zunft gewissermaßen auch nur Grubenarbeiter, Schachtgräber und Kanalarbeiter waren, dass sie in jeder Nacht stundenlang über der Ausarbeitung unserer Bandaufzeichnungen zubrachten, um das nutzlose Gewäsch auszufiltern und die paar Goldkörner an verwertbaren Fakten herauszuwaschen, die wir Bettler einzuheimsen bezahlt wurden, etwa solch kleine Goldklümpchen an Information, ob die Grubenarbeiter ihre Grubenbesitzer betrügerisch schädigten, indem sie bewusst verheimlichten, wo sich reiche Mineraladern befanden …)
Nach ganz kurzer Zeit war ich der Star in unserer Zunft. Der super-effiziente Bettler Nummer Eins. Das begriff ich sehr rasch, denn Lanista und die anderen Älteren Logenbrüder begegneten mir mit erstaunlich achtungsvoller Wärme, während mir meine Bettlergenossen eher sichtlichen Neid, ja sogar abweisende Kälte zuteil werden ließen. Nun, damit konnte ich ganz gut fertig werden. Als mein Zellenkamerad Sphinx den Versuch unternahm, sich in meinen Bordell-Strich hereinzudrängen, nahm ich ihn mir beiseite und prügelte ihn blutig. Ich war damals acht, er elf Jahre alt – aber ich musste einfach an meine Karriere denken.
In dieser Zeit kamen auch erstmals mit einiger Regelmäßigkeit Gespenster zu mir zu Besuch. Und das war überhaupt das aufregendste Erlebnis für mich, viel interessanter als die Spielchen, die ich inzwischen mit den Nutten in ihren Lusthöhlen zu spielen begonnen hatte, ja weit aufregender als der gelegentliche Anblick eines der gigantischen zähnefletschenden knurrenden Reptilien vor dem Energiefeldzaun, der schützend den Ort
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