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Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Titel: Zigeunerstern: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Hand an einer Mauer, es sieht aus wie mit Kreide gemalt, ist es aber nicht, und diese Hand hat sieben gleich lange Finger und auf jeder Seite noch je einen Greifdaumen. Vielleicht hat sich da einer der Bauarbeiter den Spaß gemacht, das während seiner Mittagspause hinzuzeichnen. Vielleicht auch hat ein Mitglied des Forschungsteams von der alten Erde das da hinterlassen, nachdem sie diesen Planeten entdeckt hatten: als eine Art Witz. Wer könnte das schon sagen? Könnten wir in der Nähe ein paar Artefakte ausgraben, würden wir vielleicht größere Erkenntnisse gewinnen, aber der einzige Artefakt dort ist und bleibt eben das Kastell selbst. Und das hockt brütend und rätselhaft weiter auf seiner Klippe über dem Meer.
    Und dieses Meer … dieser Wahnsinnsalbtraum von einem Meer …!
    Es gibt auf Megalo Kastro eine Vielzahl von Lebensformen, und fast alle von ihnen sind Raubtiere und ziemlich eklig. Eben eine junge Welt, wie ich schon sagte: im Augenblick machen die dort gerade ihr Mesozoikum durch, also haben alle die lieben Tierlein prachtvolle Reißzähne und Schuppenpanzer. Allerdings die gewaltigste Lebensform ist gottlob einzig und nur auf Megalo Kastro zu finden. Ich meine das dortige Meer als solches. Und das ist natürlich überhaupt kein richtiges Meer in unserem Sinn, sondern eine grässliche riesige puddingartige wabbelnde Gallertsee aus fahlrosa Schlick, warm und bibbernd, ziemlich abstoßend, unermesslich tief, die sich in einem weiten, etwa zehntausend Kilometer breiten Golf ausdehnt.
    Und diese See – lebt. Damit meine ich nicht etwa, dass sie voller Lebewesen sei, sondern ich meine, dass sie in sich selber ein einziges Lebewesen ist, eine einzige missgünstige und feindselige Individualität, die mit einer Art schwachgradiger Intelligenz ausgestattet ist. Oder aber – denn wer von uns könnte das schon beurteilen? – mit einer genialen Intelligenz. Der Blubberbrei denkt nämlich. Er nimmt Dinge wahr. Man kann direkt die Denkabläufe mitverfolgen: Fragende, tastende Kräuselungen erheben sich in leiser Neugier auf der Oberfläche, kurzlebige Ausstülpungen wie ›Achtung‹ schreiende Würmer, verschrumpelte ringmuskelähnliche Öffnungen, die herauftauchen und wieder verschwinden. Der Himmel allein mag wissen, aus welchen Evolutionsprozessen dieses Wesen entstand. Also, Gott wird es vielleicht wissen, aber sonst auch niemand. Wenn du dir eine Probe davon rausfischst, um sie zu untersuchen, bleibt dir weiter nichts als ein wässriger Schleimklumpen, der sich rasch abkühlt. Und dieses – Ding, aus dem du es geholt hast, liegt weiter da und heizt sich die Füße im Magma tief unten im Kern von Megalo Kastro, und es fläzt breitarmig an den Küsten der weitentfernten Kontinente – und grinst dich einfach an und lacht dich aus. Und wenn du ihm die Möglichkeit gibst – frisst es dich natürlich auf.
    Glaubt es mir. Ich weiß da wirklich Bescheid.
    Die obere Planetenkruste von Megalo Kastro steckt voll von allen möglichen wertvollen Grundstoffen, die auf den älteren Welten schon vor langer Zeit erschöpft waren, und so gibt es jetzt dort Dutzende von ›Erschließungsgesellschaften‹, die sich des Abbaus annehmen. Die meisten verlegen sich auf Transuran-Rohstoffe, mit denen sich in nahezu jedem Planetensystem ein guter Preis erzielen lässt; aber es gab hier auch einen Roma-Spezialtrupp, der nach seltenen Erden suchen sollte, insbesondere nach den allerseltensten Mineralstoffen: Thulium, Europium, Holmium und Lutetium.
    (Leute, die sich kaum jemals aus dem Schutzmantel ihrer Heimatwelt herauswagen, reagieren immer und ewig grundsätzlich mit erstauntem Unglauben, wenn sie hören, dass sämtliche Planeten der Galaxie, egal wie weit weg oder wie fremdartig sie sein mögen, sich aus ein und derselben Gruppe von Grundelementen zusammensetzen. Ich vermute, diese Leute glauben, dass Planeten anderer Welten eigentlich anständigerweise aus ›anderen‹ Elementen zusammengesetzt sein sollten und dass es irgendwie von ihnen nicht so recht ›anständig‹ sei [um nicht zu sagen, sogar ärgerlich], wenn sie sich erlauben, dass man auf ihnen ebenfalls Sauerstoff und Kohlenstoff und Stickstoff usw. findet. Als könnte ein Atom mit der Atomzahl und dem Atomgewicht von Wasserstoff in irgendeiner anderen Welt etwas anderes sein als eben Wasserstoff. Nur Idioten können doch auf den Gedanken kommen, dass jeder kleine lächerliche Planet sein eigenes Periodisches System haben müsste! Es gibt in unserem

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