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Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Titel: Zigeunerstern: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Universum nur einen Satz von Grundbausteinen. Oder hattet ihr euch da wirklich was anderes vorgestellt?)
    Die Arbeit im Bergbau auf Megalo Kastro ist nicht als besonders angenehm zu bezeichnen, bedenkt man die Hitze, die Feuchtigkeit und die scharfzähnigen Ungeheuer, die hinter jedem scharfdornigen Busch auf dich lauern, die häufigen katastrophalen Vulkanausbrüche, ganz ungeachtet der vielfältigen anderen unangenehmen Eigenschaften, mit denen der Ort gesegnet ist. Davon aber einmal abgesehen, lohnt sich der industrielle Einsatz, wenn man es bescheiden ausdrücken möchte, er lohnt sich sogar ganz gewaltig, und der ganze Planet hat die Atmosphäre eines wildgewordenen Goldgräbercamps, wo das Geld fröhlich und ungehemmt aus einer Tasche in die andere verschwindet. Und damit ist hier natürlich auch ein fruchtbares Operationsfeld für die Unternehmungen der Bettlergilde gegeben.
    Lanista lehrte mich die Kunst des Betteins. Unser Logen-Oberaufseher. Er war ein Rom aus der Sinti-Gruppe, zwanzig Jahre alt, vielleicht dreißig, mit merkwürdig fahler Haut und sehr kühlen weit auseinanderstehenden Augen. »Du lächelst sie an«, erklärte er mir. »Das ist das wichtigste, du musst immer lächeln. Mach deine Augen feucht und schimmernd. Du musst gleichzeitig erbärmlich, leidend und attraktiv aussehen, im selben Augenblick, verstehst du. Wenn du die Hand ausstreckst, musst du ihnen das Herz brechen.«
    Ich begann zu begreifen, warum die Gilde für mich einen derart sensationellen Preis bezahlt hatte. Ich hatte nämlich diesen gewissen Schimmer in den Augen. Und ich hatte das Lächeln. Ich war das perfekte Bettelkind, einschmeichelnd und einnehmend, unwiderstehlich und schlau.
    »Aber wenn die nichts geben wollen?«, fragte ich.
    »Wenn sie nein sagen und den Kopf schütteln, dann starrst du ihnen direkt in die Augen. Du lächelst, so süß du nur kannst. Und dann säuselst du mit deiner süßen Engelsstimme: Deine Mutter schläft mit einem Kamelbullen. Und dann gehst du weiter, als hättest du ihnen gerade deine tiefsten Segenswünsche geschenkt.«
    Mir gefiel es ganz gut, ein Profi-Bettler zu werden. Mein persönlicher Stolz war dadurch nicht in Mitleidenschaft gezogen. Die Sache verlangte Geschick, sie war eine Herausforderung. Ich wollte das gut hinkriegen. Ach was, bei o Beng, dem finstren Herrn, ich wollte einfach der beste Betteljunge sein!
    In späterer Zeit, als ich zu Geistwanderungen auf die alte Erde fuhr und dort die Roma der alten Tage sah, beobachtete ich sie beim Betteln mit dem kritischen Blick des Profis für andere Profis. Sie waren gut. Sehr gut. Ich sah, wie die Mütter ihren vier-, fünfjährigen Kleinen in den Straßen zuflüsterten: »Mong, chavo, mong!« – »Bettle, Junge, bettle!« – und sie mitten unter die Gaje schickten, damit sie lernten und die Technik früh entwickelten. Das Betteln hilft dir, deine Furcht abzulegen. Und Furcht ist ein unnützer Luxus, wenn du das Leben eines Rom leben musst. Ein gewisses Quantum Furcht verleiht dir die Würze der Weisheit, aber ein Hauch darüber hinaus – und du wirst wehrlos und hilflos.
    Betteln hat aber noch einen weiteren Vorteil: Es macht dich unsichtbar. Die meisten Leute wollen keinen Bettler sehen, weil der Anblick in ihnen Schuld- und Beklemmungsgefühle auslöst, Knauserigkeit und andere Negativempfindungen. Deshalb kann ein Bettler sich praktisch unbemerkt in einer Menschengruppe fortbewegen, man sieht ihn einfach nicht, außer er legt es darauf an.
    (Ich sollte hier wohl klar und deutlich erwähnen, dass Betteln nicht die Hauptaktivität der Bettlerzunft ist. Gewiss, damit bestreitet die ›Firma‹ ihre laufenden Unkosten, mehr oder weniger, aber die Haupttätigkeit der Gilde ist Spionage. Niemand sagte mir das direkt, als ich nach Megalo Kastro kam, aber es wurde im Verlauf der Zeit offenkundig.)
    Als Lanista meine Ausbildung beendet hatte, stattete er mich mit der Ausrüstung und den Insignien des neuen Berufs aus. Meine Almosenschüssel, in die man Geld stecken, aber aus der man kein Geld entnehmen konnte, ohne dass eine Alarmsirene losheulte. (Die Schüssel kreischte dermaßen laut, dass sie einen Kometen aus der Bahn hätte schleudern können, sobald sie sich weiter als dreieinhalb Meter von meinem Körper entfernte.) Den Amtsstecken, zum Zeichen, dass ich eine Bettlerlizenz besaß und dass alle von mir zusammengebettelten Gelder ›frommen, wohltätigen Zwecken‹ zugeführt würden. Das rote Halstuch, das alle Gildebettler

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