Zigeunerstern: Roman (German Edition)
vor mir geliebt? Und warum liebte sie nun mich? Ich suchte nie nach Antworten, denn ich wusste, ich würde sie nie erhalten. Ich hätte mich ebenso gut an die Sterne in den Himmeln wenden und sie fragen können, warum dieser in blauem Feuer, jener in rotem, ein anderer gelb und ein vierter weiß erstrahle.
Dennoch war es nach einiger Zeit allen klar, dass wir Verlobte waren. Ich nannte Loiza la Vakako immer häufiger Vater, und auch das war irgendwie vollkommen natürlich. Vietoris und meine wahre Familie waren mir ebenso leicht aus dem Gedächtnis entschwunden wie der Traum von gestern Nacht. Wenn ich mit Loiza la Vakako im Luftwagen umherreiste, war mir sehr wohl bewusst, dass ich hier meine Ausbildung erhielt, um eines Tages ihn als Alleinherrscher über die prächtige Welt abzulösen. Ich hatte mittlerweile die Ehemänner seiner anderen Töchter kennengelernt, und es war mir klar geworden, dass ein jeder von ihnen auf irgendeine Weise die Hoffnungen enttäuscht hatte, die Loiza la Vakako in ihn gesetzt hatte. Das musste ihn schmerzen und betrüben, doch er ließ es sich niemals anmerken. Es waren gute Männer, und sie regierten ihre Provinzen gut und mit Achtsamkeit, doch fehlte es ihnen an einem letzten Quäntchen Tiefgang, so schien es, und umfassender Regierungsweisheit, und so sollte keiner von ihnen den ganzen Besitz erben, sondern nur jenen Teil davon, der ihnen bereits als Lehen übergeben war.
Und ich? Was besaß denn ich, das ihnen fehlte?
Ich hatte nicht die geringste Vorstellung. Doch Loiza la Vakako erkannte es. Er erkannte irgendwie das Königtum in mir, als ich selbst noch keinen Hauch davon verspürte. Ich war ein kleiner Sklavenjunge gewesen, dann ein bettelnder rotznäsiger Straßenjunge, und nun führte ich – dank eines unglaublichen Glücksdusels das Leben eines reichen jungen Prinzen, aber reiche junge Prinzen sind in der Regel charakterlich nicht besonders tiefgründig oder gefestigt. Genau wie ich es damals war. Wonach mich am meisten verlangte, war, über die Hochmoore zu reiten, im scharlachroten Ozean zu schwimmen und in die glitzernden Tiefen der Einhundert Augen zu tauchen, und mich dann Malilini zuzuwenden und ihr mit bebenden Händen die Innenseite der Schenkel zu streicheln; und trotzdem erkannte Loiza la Vakako in mir einen König. Gewiss, es steckte in mir ein verborgener König. Doch es brauchte eben einen Loiza la Vakako, ihn dort auszumachen.
Zur Feier unserer Verlobung gab er einen großen romansch patshiv, ein Ehrenfest. Und hier beging er den einzigen Fehler seines ganzen Lebens, das so heiter-gelassen und so reich begnadet mit Weisheit und Vorhersicht verlaufen war. Und er brachte damit den Untergang über sich und über mich.
Der patshiv wurde monatelang vorbereitet. In den letzten Winkel von Nabomba Zom erging die Weisung, dass die besten Proben einer jeglichen Ernte dafür beiseitegestellt werden sollten; Beauftragte des Loiza la Vakako auf sämtlichen Königlichen Planeten und in gut der Hälfte der Welten des Imperiums erhielten den Auftrag, seltene Speisen und Getränke zu senden. Seine sechs Töchter nebst ihren Prinzgemahlen sollten an dem Fest teilnehmen, und sogar sein Bruder, der dunkle, finstergesichtige Pulika Boshengro, wollte aus seinem Reich auf einer der Nachbarwelten heraufsteigen.
Im Hofe des Palasts wurde ein großer Zeltpavillon errichtet, und Langtische (nach guter Roma-Sitte) standen unter Lauben aus den Rebstockästen des Goldflimmerweins, die das Fest mit glitzerndem Licht sanft bestrahlen würden. Dann die Köche, ganze Trupps davon, ganze Legionen, die sich an die Arbeit machten, Fleisch für Pasteten zu hacken, Garnierungen feinzuschnippeln, Wildgeflügel in Beizen aus Salbei und Thymian und Majoran zu legen, die Spießbraten mit Pfefferkörnern und Rosmarin zu würzen, die gewaltigen Schüsseln mit Bohnen und Linsen in saurer Sahne vorzubereiten, die Erbsenpürees mit Essig, Gurken in dicker Yoghurt-Dillsoße, die Oliven, der Meerrettich, die Fleischknödelchen mit geriebener Muskatnuss, ach, alle die Speisen, die wir Roma seit so vielen Tausenden von Jahren lieben. Und die Weinfässer! Die Branntweinkaraffen! Die Bierfässer!
Und als dann alles bereit war und die ganze Sippe versammelt, trat Loiza la Vakako aus seinem Palast hervor und war in eine derartige Pracht und prunkvolle majestätische Staatsroben gekleidet, dass es mir schwerfiel, die Schlichtheit seines Privatgemachs, die Nüchternheit, ja bewusst asketische Lebensweise, die
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