Zigeunerstern: Roman (German Edition)
ich sonst an ihm kannte, damit in Einklang zu bringen. Ich war in ähnlich üppige Prunkgewänder gekleidet und durfte an seiner Seite einziehen. Und Malilini – im Glanz ihrer ureigenen Schönheit und bekleidet mit einem Etwas, das aus nichts als gesponnener Luft zu bestehen schien, in der ihr bezaubernder Liebreiz nur noch heftiger strahlte …
Loiza la Vakako wollte aus diesem Ehrenfest ein Ereignis machen, wie Nabomba Zom es noch nie erlebt hatte, ein Fest, das in der Geschichte der Roma nicht seinesgleichen hatte und das von künftigen Generationen nicht zu übertreffen sein sollte. Nun, es ließ sich gewiss nicht leugnen, dass es ein Fest wurde, wie man es auf Nabomba Zom noch nie erlebt hatte, aber leider nicht in jenem Sinn, den Loiza la Vakako beabsichtigt hatte. Und was die Unübertroffenheit und Unübertrefflichkeit angeht, nun, dahin sollte es nicht kommen.
Wir ließen uns auf unseren Plätzen an der hohen Tafel nieder: Loiza la Vakako in der Mitte, Pulika Boshengro, sein Bruder, zu seiner Linken, Malilini zu seiner Rechten, und ich neben ihr. Rings um uns saßen die Nobelherren und edlen Damen des Reichs, die sechs Töchter und die sechs Schwiegersöhne, der nabomba-zombranische Archimandrit nebst dreien seiner Thaumaturgen, der Kaiserliche Gesandte und eine Handvoll seiner Hierodulen, ausgewählte hochrangige Vasallen von entfernten Plantagen und eine große Schar anderer Leute, darunter auch ein Kader von Edelingen vom Hofe des Pulika Boshengro, die dieser als Gefolge mitgebracht hatte und die sämtlich in Kleidern von höchst verwirrender Grellheit und Vulgarität steckten.
Loiza la Vakako breitete die Arme aus zum Segen und lud so die Gäste ein, sich zum Festmahl niederzulassen.
Die Bediensteten machten mit dem ersten Wein die Runde und häuften die Salate und die verschiedenen Rauchfleischsorten auf die Teller. Wir warteten aber alle, denn der Brauch will es, dass der Gast aus dem weitest entfernten Land den ersten Bissen zu sich nehme.
Dieser Gast war Pulika Boshengro. Er erhob sich – ein kleiner, kompakter Mann wie sein Bruder, und voller sprungbereiter Energie und Leidenschaft. In seinen Augen blitzte eine Intelligenz, die einen frösteln machen konnte.
Neben seinem Teller lag auf dem Tisch seine lavuta, eine gute alte Zigeunerfiedel. Von diesem Pulika Boshengro sagte man, dass er ein hochqualifizierter Musiker sei. Und nun würde er unser Fest mit einer unserer althergebrachten Weisen eröffnen, mit einer schnellen feurigen Melodie, auf dass gleich die richtige Stimmung aufkomme. Es breitete sich eine große Stille aus. Pulika Boshengro fuhr mit den Fingern sacht das Griffbrett auf und ab, dann hob er den Bogen. Und überall im Festzelt lächelten die Gäste, nickten vor sich hin, schlossen die Augen, ganz so, als könnten sie die Musik bereits hören.
Pulika Boshengro riss den Bogen über die Saiten. Doch es erklang kein süßes altes Zigeunerlied. Er kratzte drei scharfe, laute, misstönende Akkorde aus den Saiten.
Ein Signal. Das Zeichen zum Handeln.
Und die Schergen des Pulika Boshengro handelten mit verblüffender Raschheit. Noch ehe die dritte misstönende Note verklungen war, hatte man mich grob hochgerissen, ein Arm drückte mir die Luft aus der Kehle, und ich spürte einen Dolch in der Nierengegend. Und das gleiche geschah auf der ganzen Breite des Quertisches: mit Loiza la Vakako, mit Malilini, mit den sechs Schwiegersöhnen und ihren Frauen. Von den unteren Rängen hörte man das scharfe Keuchen der Gäste, aber nicht einer wagte eine Bewegung. Und so waren wir in Blitzesschnelle allesamt Gefangene und Geiseln geworden.
Ich drehte mühsam den Kopf nach links und starrte über Malilini hinweg Loiza la Vakako an. Sein Gesicht wirkte gleichmütig, und seine Augen waren ganz ohne Erregung, als habe er dies alles kommen sehen und sei überhaupt nicht darüber bestürzt, oder aber seine Seelenstärke war so groß, dass er sich nicht einmal durch den brutalen Überfall an seiner Festtafel aus dem philosophischen Gleichgewicht bringen lassen mochte. Er lächelte mir zu.
Und dann stieß einer von Pulika Boshengros Schergen einen scharfen überraschten Laut aus und deutete auf Malilini.
Und sollte ich tausend Jahre alt werden – dieser Augenblick wird stets wie eine weiße brennende Flamme in meiner Erinnerung sein. Ich schaute zu ihr hin – und ich sah, wie ihr Gesicht einen seltsamen Ausdruck annahm – die Augen wurden wolkig-trübe, die Nüstern ihres Näschens blähten
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