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Zikadenkönigin

Zikadenkönigin

Titel: Zikadenkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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Metall.
    Es war eine Luftschleuse.
    Sie warteten. Die Zeit verging. Sie empfingen keine weiteren Befehle. Sie schalteten sich zurück und hockten reglos auf dem Eis, so leblos wie die Felsbrocken.
    Um der Sicherheit willen beschloß ich, zuerst das Schiff zu untersuchen.
    Als die Schleuse geöffnet wurde, fuhr das Schiff seine Maschinen wieder hoch. Ich betrat die Kabine. Der Pilotensitz war leer.
    Es war niemand an Bord.
    Ich brauchte fast zwei Stunden, bis ich mich zum Cybersystem des Schiffs vorgearbeitet hatte. Dort erkannte ich, was ich schon vermutet hatte. Es war Wellsprings Schiff.
    Ich verließ das Schiff und kroch über das Eis zur Schleuse. Sie öffnete sich mühelos. Wellspring hatte sein Leben nie unnötig kompliziert.
    Die Kammer hinter der inneren Schleusentür war von gleißendem bläulichen Licht erhellt. Ich stellte meine Augen um und kroch hinein.
    Am anderen Ende, in der schwachen Schwerkraft des Eisteroiden, war ein Bett aus Juwelen. Es war kein normales Bett. Es war einfach ein riesiger, loser Haufen kostbarer Steine.
    Auf diesem Haufen schlief die Königin.
    Ich stellte meine Augen wieder um. Sie verstrahlte keine Infrarotimpulse. Sie lag völlig reglos, die Arme um etwas gelegt, das sie an die Brust drückte, die dreizehigen Beine angezogen, den massiven Schwanz eingerollt und zwischen die Beine gezogen. Ihr riesiger Kopf, so groß wie ein Männertorso, steckte in einem gewaltigen gekrönten Helm, der mit funkelnden Diamanten besetzt war. Sie atmete nicht. Ihre Augen waren geschlossen. Ihre dicken, schuppigen Lippen waren leicht gefletscht und entblößten zwei Reihen zeltpfahlgroßer, gelber Zähne.
    Sie war eiskalt, in eine Art fremden Kälteschlaf gefallen. Wellsprings Coup war enthüllt. Die Königin hatte sich freiwillig entführen lassen. Wellspring hatte sie in heldenhaftem Wagemut geraubt, hatte seine Rivalen in Z-K beraubt, um im Marsorbit noch einmal von vorn zu beginnen. Es war ein erstaunlicher Coup, der ihm und seinen Schülern unendliche Macht eingebracht hatte.
    Ich war von Bewunderung für diesen Plan überwältigt. Ich fragte mich allerdings, warum er nicht im Schiff gewesen war. Zweifellos waren an Bord Medikamente, mit denen die Königin im neuen Kluster wieder erweckt werden konnte.
    Ich ging näher heran. Ich hatte noch nie einen Investierer von Angesicht zu Angesicht gesehen. Trotzdem erkannte ich nach wenigen Augenblicken, daß mit ihrer Haut etwas nicht stimmte. Zuerst hielt ich es für eine optische Täuschung. Aber dann sah ich, was sie in den Händen hielt.
    Es war der Flechten-Juwel. Ihre kräftigen Hände hatten den Stein beim Zupacken entlang einer Fläche gespalten, die schon von den Säuren der Flechten geschwächt gewesen war. Die Flechten hatten sich, aus ihrem Kristallgefängnis befreit, im starken Licht hemmungslos vermehrt. Sie waren über ihre Schuppenfinger gekrochen, dann ihre Handgelenke hinauf, und dann waren sie auf ihrem ganzen Körper förmlich explodiert. Sie funkelte grün und golden in ihrem tödlichen Pelz. Sogar ihre Augen und ihr Mund.
    Ich ging zum Schiff zurück. Man sagte von uns Formern immer, daß wir unter großen Belastungen Außergewöhnliches leisteten, ich reaktivierte die Drohnen und ließ sie das Bohrloch füllen. Sie fügten Eisbrocken ein und verschmolzen sie mit dem Fels.
    Ich arbeitete intuitiv, aber meine ganze Ausbildung sagte mir, daß ich meiner Eingebung vertrauen sollte. Ich hatte die tote Königin entkleidet und alle Juwelen an Bord des Schiffs gebracht. Ich empfand eine Gewißheit, die über jede Logik hinausging. Die Zukunft lag vor mir wie eine schläfrige Frau, die die Hände ihres Geliebten erwartet.
    Wellsprings Bänder gehörten mir. Das Schiff war seine letzte Zuflucht, im voraus programmiert. Nun verstand ich die Pein und den Ehrgeiz, die ihn getrieben hatten, und ich empfand sie wie er.
    Seine tote Hand hatte die Abgeordneten aller Parteien angezogen, damit sie dem prigoginischen Sprung beiwohnen konnten. Der Proto-Kluster im Orbit wurde ausschließlich von Drohnen und Monitoren bevölkert. Es war natürlich, daß sich die Beobachter mir zuwenden würden. Mein Schiff kontrollierte die Drohnen.
    Die ersten, von Panik getriebenen Flüchtlinge erzählten mir, was mit Wellspring geschehen war. Er war mit den Füßen voran aus einem Discreet gezogen worden, dichtauf gefolgt von der blutleeren Leiche von Valery Korstad. Sie würde nie wieder jemand erfreuen. Nie wieder würde er mit seinem Charisma die Clique in

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