Zikadenkönigin
seinen Bann ziehen. Möglicherweise war es ein Doppelselbstmord. Wahrscheinlicher aber hatte sie erst ihn und dann sich selbst getötet. Wellspring konnte nie glauben, daß irgend etwas stärker war als seine Fähigkeiten zu heilen. Eine Verrückte und eine kahle Welt, das war für ihn die gleiche Herausforderung. Schließlich war er doch an seine Grenzen gestoßen, und sie hatte ihn umgebracht. Die Details spielten keine große Rolle. So oder so, sie waren in einem Discreet gestorben.
Als ich die Neuigkeit hörte, versiegelte ich mein Herz mit Eis; nahtlos und sauber.
Ich sendete Wellsprings Testament, als der Eisteroid zu seiner letzten Fahrt in die Atmosphäre ansetzte. Bänder nahmen die Sendung auf, während Gase sich in der dünnen, leeren Luft des Mars verflüchtigten.
Ich log, was das Testament anging. Ich erfand es. Ich hatte Wellsprings aufgezeichnete Erinnerungen zur Hand; es war ganz leicht, meine künstliche Stimme so umzustellen, daß sie klang wie seine, um die Bühne für meinen Aufstieg vorzubereiten. Es war wichtig für die Zukunft des T-K, des Terraform-Kluster, daß ich mich als Wellsprings Erbe proklamierte.
Macht und Gerüchte rankten sich um mich. Man sagte, unter meiner Rüstung verberge sich Wellspring, während der wirkliche Landau zusammen mit Valery in Z-K gestorben sei. Ich förderte diese Gerüchte. Falsche Vorstellungen würden den Kluster zusammenschweißen. Ich wußte, daß T-K eine Stadt ohne Rivalen sein würde. Hier würden Abstraktionen Gestalt annehmen, Phantome würden uns nähren. Sobald unsere Ideale realisiert waren, würde T-K unaufhaltsam an Macht gewinnen. Meine Juwelen gaben ihm eine Machtbasis, mit der sich nur wenige Kartelle messen konnten.
Mit dem Verstehen kam auch die Vergebung. Ich verzieh Wellspring. Seine Lügen, seine Täuschungen hatten bei mir mehr bewirkt als die schillernde ›Wahrheit‹ vermocht hätte. Was machte es schon? Wenn wir massiven Grund brauchten, dann sollte er uns umkreisen.
Und die schreckliche Schönheit des Aufschlags! Die gleißende, gerade Linie des Sturzes! Es war der erste von vielen weiteren, aber er war mir der liebste. Als ich nach dem Aufschlag die milchigen Tropfen von der Marsoberfläche hochspritzen sah, ein gewaltiger Orgasmus voller Dampf aus dem versteckten, gefrorenen Grab der Königin, wußte ich, was mein Lehrer gewußt hatte. Ein Mann, der von etwas getrieben wird, das größer ist als er selbst, wagt alles und fürchtet nichts. Überhaupt nichts.
Ich lebe in meinem schwarzen Panzer und beherrsche die Polycarbon-Clique. Meine Berater kommen aus ihrer Elite. Ich erinnere mich an die Kälte, aber ich fürchte mich nicht mehr. Ich habe sie für immer vergraben, wie die Kälte des Mars unter dem brodelnden grünen Teppich begraben wird. Wir zwei, die wir jetzt vereint sind, haben einen ganzen Planeten aus dem Reich des Todes gestohlen. Und ich fürchte die Kälte nicht. Nein, überhaupt nicht.
Originaltitel: ›Cicada Queen‹
Copyright© 1983 by Terry Carr
(erstmals erschienen in ›Universe 13‹ , hrsg. von Terry Carr)
Copyright © 1990 der deutschen Übersetzung
by Wilhelm Heyne Verlag, München
Aus dem Amerikanischen übersetzt von Jürgen Langowski
Versunkene Gärten
Mirasols Raupe kroch unter einem stürmischen Marshimmel durch das Ödland des Mare Hadriacum. An den Grenzen der Troposphäre wanden sich Jetströme wie schmutzige, verwirbelte Strähnen durch den blaß lilafarbenen Himmel. Mirasol betrachtete die Luftströme durch das vergitterte Glas der Führerkanzel. Ihr genmoduliertes Gehirn spuckte einen Begriff nach dem anderen aus: Schlangennest, eine Versammlung dunkler Aale, eine Karte schwarzer Arterien.
Seit dem Morgen war die Raupe beständig zum Hellas-Basin hinuntergekrochen, und der Luftdruck stieg. Der Mars lag unter dieser dicken Luftdecke wie ein fiebernder Patient und schwitzte verschüttetes Eis aus.
Am Horizont bildeten sich unter den träge fließenden Jetströmen mit explosiver Geschwindigkeit Gewitterwolken.
Das Basin war Mirasol fremd. Ihre Partei, die Modellisten, waren einem Erlösungscamp im Norden von Syrtis Major zugeteilt worden. Dort waren Windgeschwindigkeiten von zweihundert Meilen pro Stunde nichts ungewöhnliches, und das unter künstlichem Druck stehende Camp war dreimal von Wanderdünen begraben worden.
Sie hatte acht Tage gebraucht, um den Äquator zu erreichen.
Von hoch droben hatte ihr die Regal-Partei beim Navigieren geholfen. Ihr Stadtstaat im
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