Zikadenkönigin
erreichte die klimpernde Musik einen Höhepunkt, und die Regal-Kampfrichterin trat ein. Ihr Name war Arkadya Sorienti AGmbH. Sie gehörte der herrschenden Oligarchie von T-K an und schwankte mit den vorsichtigen Schritten einer Frau, die nicht an die Schwerkraft gewöhnt ist, durch die aufplatzende Tür.
Sie trug die Kleidung eines hochrangigen Investierer-Diplomaten. Die Regals waren stolz auf ihre diplomatischen Verbindungen mit den fremden Investierern, da deren Schutz ihnen gewaltigen Wohlstand schenkte. Die kniehohen Stiefel der Frau hatten aufgesetzte, vogelähnliche Krallen und waren geschuppt wie Investiererhaut. Sie trug ein schweres Kleid aus juwelenbesetzten Goldbändern und ein steifes, langes Jackett mit bestickten Manschetten. Ihr blondes Haar war im Stil einer Computerverdrahtung geflochten. Die Haut ihrer nackten Beine glänzte gläsern, als wäre sie frisch emailliert worden. Ihre Augenlider funkelten in weichen, reptilischen Pastelltönen.
Die Robodiener halfen der Ehrenwerten Aktiengesellschaft auf den Stuhl. Die Sorienti beugte sich strahlend vor und faltete ihre zierlichen kleinen Hände, die so mit Ringen und Reifen überladen waren, daß sie funkelnden Panzerhandschuhen ähnelten.
»Ich hoffe, ihr fünf habt die Gelegenheit genutzt, euch informell etwas kennenzulernen«, sagte sie zuckersüß, als wäre so etwas die leichteste Sache der Welt. »Es tut mir leid, daß ich aufgehalten wurde. Unser sechster Teilnehmer wird nicht mehr kommen.«
Es gab keine Erklärung. Die Regals sprachen nie über Maßnahmen, die als Bestrafung verstanden werden konnten. Die Blicke der Bewerber, die zwischen Berechnung und Schreck schwankten, zeigten, daß sie sich das Allerschlimmste ausmalten.
Die beiden gedrungenen Servos kreisten um den Tisch und teilten von Tabletts, die sie auf ihren Patschhänden balancierten, das Essen aus. Die Wettkämpfer pickten unbehaglich auf ihren Tellern herum.
Der Bildschirm hinter der Kampfrichterin flackerte und gerann zu einem schematischen Diagramm des Ibis Crater. »Bitte beachten Sie die neugezogenen Grenzlinien«, sagte die Sorienti AGmbH. »Ich hoffe sehr, daß Sie sich nicht gegenseitig ins Gehege kommen – nicht nur rein physisch, sondern auch biologisch.« Sie blickte sie ernst an. »Einige von Ihnen planen vielleicht, Herbizide einzusetzen. Das ist gestattet, aber die Ausbreitung der Sprühmittel über die Grenzen Ihres jeweiligen Sektors hinaus gilt als schwerer Verstoß. Bakteriologischer Aufbau ist eine sehr subtile Kunst. Die Verbreitung genmodulierter Krankheitskeime ist ein ästhetischer Stilbruch. Bitte bedenken Sie, daß Ihre Handlungen hier in etwas eingreifen, das im Normalfall völlig natürlich ablaufen würde. Deshalb darf die Phase der biologischen Impfung nur zwölf Stunden dauern. Danach soll das veränderte System Zeit bekommen, sich ohne weiters Eingreifen von außen selbst zu stabilisieren. Übertreiben Sie Ihre Rolle nicht und beschränken Sie sich darauf, wie Katalysatoren eine Initialzündung zu geben.«
Die Ansprache der Sorienti AGmbH war formell und zeremoniell. Mirasol studierte den Bildschirm und bemerkte befriedigt, daß ihr Territorium vergrößert worden war.
Von oben gesehen war der scheinbar runde und glatte Krater stark vernarbt.
In Mirasols Sektor, es war der südliche, erstreckten sich die Reste eines großen Erdrutsches wie eine lange Narbe; die Kraterwand war eingebrochen und in die Senke geströmt. Das einfache Ökosystem hatte sich rasch erholt, und Mangroven gediehen prächtig auf den flachen Schutthängen. Die oberen Bereiche der Hänge wurden von Flechten und Gletschern angenagt.
Der sechste Sektor war völlig verschwunden, und Mirasol hatte beinahe zwanzig Quadratkilometer neues Land dazubekommen.
Dadurch hatte das Ökosystem ihrer Partei mehr Platz, Wurzeln zu schlagen, bevor der tödliche Kampf richtig begann.
Es war nicht der erste Wettkampf dieser Art. Die Regals hielten solche Wettbewerbe schon seit Jahrzehnten als objektive Tests für die Fähigkeiten rivalisierender Parteien ab. Die Wettkämpfe unterstützten die ›Teile und herrsche‹-Politik der Regals, denn sie brachten die Parteien gegeneinander auf.
Und in den kommenden Jahrhunderten, während das Leben auf dem Mars immer leichter wurde, sollten die Gärten aus den Kratern wuchern und sich auf der ganzen Oberfläche ausbreiten. Der Mars sollte ein Dschungel völlig unterschiedlicher Schöpfungen werden, die miteinander im Krieg lagen. Für die Regals
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