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Zikadenkönigin

Zikadenkönigin

Titel: Zikadenkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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gelangweilt.«
    »Nein, das meine ich nicht.«
    »Oh, natürlich, man hat mir den Schleier gestohlen.« Er lächelte kalt. »Also weiter. Sobald die Verräterin meine Geliebte war, konnte ich Position und Geheimcodes des Nervengaslagers aufdecken. Unmittelbar danach inszenierte ich einen Notfall und gab die chemischen Wirkstoffe innerhalb des versiegelten Bunkers frei. Dort hatten sie Zuflucht gesucht, so daß bis auf zwei alle durch ihr eigenes Ventilationssystem starben. Diese beiden jagte ich. Ich fand und erschoß sie später in der Nacht. Ob der Cyborg Owens ›gestorben‹ ist oder nicht, ist nur eine Frage der Definition.«
    »Sie haben doch das Vertrauen der Frau gewonnen?«
    »Nein. Das hätte zu lange gedauert. Ich habe sie einfach gefoltert, bis sie zerbrach.« Wieder lächelte er. »Jetzt kann die Synthesis dort eindringen und die Maya-Bevölkerung übernehmen wie irgendeine beliebige vorindustrielle Kultur. Ein paar Transistorradios werfen die ganze empfindliche Struktur über den Haufen wie ein Kartenhaus.«
    »Wir haben Ihnen sehr zu danken«, sagte der Sicherheitschef. »Und ich beglückwünsche Sie.«
    »Ersparen Sie sich das«, erwiderte der Spitzel. »Sobald ich wieder in die Schatten unter dem Schleier getreten bin, werde ich das alles sowieso vergessen. Ich werde vergessen, daß mein Name Simpson ist. Ich werde vergessen, daß ich ein Massenmörder bin, der für die Explosion der Leyland Zaibatsu und den Tod von achttausend Orbitern verantwortlich ist. Nach allen Maßstäben bin ich eine tödliche Gefahr für die Gesellschaft und verdiene es wirklich, psychisch zerstört zu werden.« Er fixierte den Mann mit einem kalten, kontrollierten und brutalen Grinsen. »Und ich gehe meiner eigenen Zerstörung froh entgegen. Denn nun habe ich das Leben auf beiden Seiten des Schleiers kennengelernt. Ich weiß jetzt ganz genau, was ich immer vermutet habe. Einfach nur ein Mensch zu sein, macht nicht genug Spaß.«
     
    Originaltitel: ›Spook‹
    Copyright © 1983 by Mercury Press, Inc.
    (erstmals erschienen in »The Magazine of Fantasy & Science Fiction«,
    April 1983)
    Copyright © 1990 der deutschen Übersetzung
    by Wilhelm Heyne Verlag, München
    Aus dem Amerikanischen übersetzt von Jürgen Langowski
     

Das Schöne und das Erhabene
     
    30. Mai 2070
    Mein lieber MacLuhan,
    Du, mein Freund, der Du die Wirren der Liebe aus eigener Erfahrung kennst, wirst meine Beziehung zu Leona Hillis verstehen.
    Seit meinem letzten Brief an Dich habe ich Einblick in Leonas Seele gewonnen. Allmählich, beinahe gegen meinen Willen, entfalteten sich bei mir jene Gefühle der Zuneigung und der Sympathie, die eine einfache Liaison in etwas viel Bedeutungsvolleres verwandeln. In etwas, das an Erhabenheit grenzt.
    Das ist Liebe, mein werter MacLuhan. Keine fleischliche Begierde, die leicht mit Tabletten zu stillen ist. Nein, eher könnte man es als agape bezeichnen, worunter die Griechen das hehre Streben nach einer Vereinigung der Seelen verstanden.
    Ich weiß, daß unsere moderne Welt den Griechen nichts mehr abgewinnt, besonders nicht Plato mit seinem computerhaften Hang zum abstrakten Denken.
    Verzeih mir also, wenn ich mich dieses etwas antiquierten Ausdrucks bediene. Aber ich will Dir frei und offen mitteilen, was ich empfinde.
    Mit anderen Worten, dieser Beziehung haftet nichts Flüchtiges oder Vergängliches an, dieses Mal ist es keine meiner vorübergehenden Affären. Mir ist, als hätte ich Leona schon immer geliebt; sie nimmt den Platz in meiner Seele ein, den keine andere Frau auszufüllen vermag.
    Ich weiß, daß ich überstürzt handelte, als ich Seattle verließ. Aksyonov wollte unbedingt, daß ich die Kulissen für sein neues Drama fertigstelle. Doch ich fühlte mich niedergeschlagen und unruhig und fürchtete ein Nachlassen meiner schöpferischen Kräfte. Inspirationen bezieht man aus der Natur, und ich war schon viel zu lange in dieser Stadt eingepfercht.
    Als ich dann Leonas Einladung zur Geburtstags-Gala ihres Vaters im Grand Cañon erhielt, konnte ich der Verlockung nicht widerstehen. Sie vereinigte in sich das beste beider Welten: die Gesellschaft einer bezaubernden Frau vor dem Hintergrund eines in seiner Majestät und Erhabenheit einzigartigen Naturwunders.
    Dem armen Aksyonov schickte ich per Interpost eine hastig hingekritzelte Nachricht, dann floh ich nach Arizona.
    Welch eine Landschaft! Sich ins Unendliche erstreckende Hochebenen, die Blicke bis über den Horizont hinaus gestatten, ekstatische

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