Zikadenkönigin
heraus. Er zündete sie an und blies uns eine Wolke krebserregenden Qualms ins Gesicht. Unwillkürlich prallte ich zurück. »Wir sehen uns bestimmt später wieder«, sagte ich. »Jetzt möchte ich gern die Dame des Hauses begrüßen.«
»Leona?« Dr. Hillis runzelte die Stirn. »Sie ist nicht daheim. Sie unternimmt einen Spaziergang. Mit ihrem Verlobten.«
Ich dachte, mich träfe der Schlag. Doch ich wollte nicht glauben, daß Leona mich in Seattle getäuscht hatte. Wenn sie eine offizielle Liaison unterhielt, hätte sie mir davon erzählt.
»Sie hat sich verlobt?« hakte ich nach. »So plötzlich? Ließen sie sich von der Leidenschaft überwältigen?«
Krokodil Nr. 1 lächelte säuerlich, bis ich merkte, daß ich einen wunden Punkt berührt hatte.
»Verdammt noch mal!« schnauzte Hillis. »Es handelt sich nicht um irgendeine überspannte Angelegenheit mit Herz, Schmerz, Haareraufen und Liebesglut. Leona ist ein vernünftiges Mädchen mit konservativen Wertvorstellungen. Und Dr. Somps entspricht in jeder Hinsicht ihren Wünschen.« Er funkelte mich an, als wolle er jeden Widerspruch im Keim ersticken.
Natürlich kam es mir gar nicht in den Sinn, ihm zu widersprechen. Dr. Hillis ist ein schwerkranker Mann, und es wäre grausam gewesen, ihm Aufregung zu verursachen. Ich murmelte ein paar unverbindliche Floskeln und entfernte mich.
Draußen zog ich rasch meinen Schlüssel zu Rate. Er verschaffte mir die biographischen Daten, die Dr. Somps in das Haussystem für Gäste eingespeist hatte.
Mein Rivale hatte imponierende Erfolge aufzuweisen. Bereits als Kind fiel er durch seine überragende mathematische Begabung auf. Jetzt war er neunundzwanzig, zwei Jahre jünger als ich, und Professor für Aeronautik am Tsiolkovsky-Institut in Boulder, Colorado. Zwei Jahre hatte er als Gastkosmonaut in einer russischen Raumstation verbracht. Er hatte ein Lehrbuch über Tragflächenkinematik geschrieben. Auf dem Gebiet der Windkanal-Computersimulation galt er als führender Experte, und was Versuchsanordnungen für den von Hillis entwickelten Parallelprozessor betraf, so genoß er weltweit uneingeschränkte Anerkennung.
Du kannst Dir vorstellen, mein lieber MacLuhan, in welche Aufregung mich diese Informationen versetzten. Im Geist sah ich Leona, wie sie den Lockenkopf an die Schulter dieses smarten Raumfahrers schmiegte. Einen Augenblick lang gab ich mich völlig der Wut hin.
Eine nochmalige Prüfung des Codeschlüssels verriet mir indessen, daß der Alte gelogen hatte. Der Locator entdeckte Dr. Somps auf einem Plateau im Westen; in seiner Begleitung befand sich jedoch nicht Leona, sondern sein ehemaliger Crewgefährte im All, Fred Solokov. Leona war allein und erforschte gerade eine Schlucht im Osten des Cañongebiets, zwei Meilen weiter stromaufwärts.
Mein Herz drängte mich, sofort zu ihr zu eilen, und wie immer in solchen Fällen, gehorchte ich meiner inneren Stimme.
Es wurde ein anstrengender Marsch, vorbei an lotrechten Abgründen und Bergrutschen, während zu meiner Rechten der Colorado brauste und schäumte. Gelegentlich sah ich Boote voller wagemutiger Abenteurer über die Stromschnellen tanzen, die Leute paddelten wie verrückt, um nicht gegen die Felswände geschmettert zu werden. Die Fußwege waren jedoch wie ausgestorben.
Leona hatte einen Felsvorsprung erklettert, der wie eine Kralle über das Flußbett hinausragte. Sehen konnte ich sie nicht, aber mein Codeschlüssel half mir, sie zu finden. In meinem Eifer, zu ihr zu gelangen, verließ ich den Pfad und erklomm eine Böschung. Zwar handelte ich mir einige Kratzer durch Kaktusstacheln ein, dafür hatte ich die Genugtuung, unverhofft neben ihr aufzutauchen.
Mit einer schwungvollen Geste nahm ich den Hut ab. »Meine liebe Miss Hillis!«
Leona hockte auf einer karierten Wolldecke. Unter einer lose sitzenden Safarijacke trug sie eine Spitzenbluse, wobei die weißen Rüschen reizvoll mit dem strenggeschnittenen wadenlangen Serengetirock kontrastierten. Die türkisfarbenen Augen, die auf eine entzückende Weise leicht hervorquellen, waren vom Weinen gerötet.
»Manfred!« sagte sie, während sie eine Hand an die Lippen hob. »Du hast mich also doch gefunden!«
Ich war verblüfft. »Du hattest mich eingeladen. Glaubst du, ich könnte dir einen Wunsch abschlagen?«
Sie lächelte kurz über meine Galanterie, dann kehrte sie mir das Profil zu und starrte düsteren Blicks auf den Fluß hinab.
»Eigentlich sollte es eine ganz schlichte Feier werden; um Vater aus
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