Zimmer Nr. 10
nicht«, sagte Öberg. »Das ist dein Job.«
»Und keine weiteren Spuren am Strick?«
»Keine weiteren Spuren.«
»Wir wissen nicht, ob sie die Schlinge eigenhändig geknüpft hat«, sagte Winter.
»Nein. Wer weiß, wie der Fleck da hingeraten ist.«
»Verdammt. Ich hatte so darauf gehofft.«
»Da bist du nicht der Einzige.«
Winter hörte eine Straßenbahn, ein dumpfes Geräusch, heimelig, beruhigend. Es war noch gar nicht so spät. Wenn die letzte Straßenbahn im Depot angekommen war, wurde die Stadt ein unruhigerer Ort.
»Könnten wir in dem Zimmer etwas übersehen haben?«, fragte er.
»Willst du mich beleidigen, Erik?«
»Ich rede nur mit mir selber.«
»Nicht leise genug.«
»Komm schon, Torsten. Red auch ein bisschen mit dir selber.«
»Könnten wir in dem Zimmer etwas übersehen haben?«, sagte Öberg.
»Könnten wir?«
»Was sollen wir übersehen haben, Erik? Spuren? Zeichen? Flecke? Glaub ich nicht. Ich möchte behaupten, dass wir mit größter Wahrscheinlichkeit nichts übersehen haben. Aber ganz genau weiß ich es auch nicht.«
»Mhm.«
»Es war ein ordentliches Zimmer. Ein sauberes Zimmer. So was erschwert uns immer die Arbeit.«
15
Dann könnte der Kerl also neben ihr Froschhüpfen gemacht haben!«
»Froschhüpfen?«, fragte Ringmar.
»Oder was zum Teufel man sonst so in einer Muckibude treibt«, fuhr Halders fort.
Er hatte Winter direkt nach dem Gespräch mit Nina Lorrinder angerufen.
»Dann ist es Zeit, dass du’s dir mal anguckst«, sagte Winter.
»Ich bin gespannt.«
»Wie sicher war sie sich?«, fragte Bergenhem.
»Mäßig«, antwortete Halders.
»Sie könnte sich nicht getäuscht haben?«, hakte Ringmar nach.
»Sich täuschen, sich täuschen, jeder kann sich täuschen.«
Halders streckte die Arme nach hinten, als wäre er schon im Trainingsraum. »Aber sie hat Paula mit jemandem sprechen sehen, offenbar mehrere Male. Sie hatte den Eindruck, als hätten sie sich vorher schon mal getroffen, woanders.« Halders senkte die Arme. »Das musste ich ihr alles aus der Nase ziehen.«
»Solche Zeugen haben wir gern«, seufzte Ringmar.
»Wenn sie erst mal anfangen zu reden, schon«, erwiderte Halders.
Ringmar änderte seine Haltung auf dem Stuhl und änderte sie noch einmal. Halders’ Armbewegungen steckten an. Bald würden alle Anwesenden Gymnastik treiben.
»Könnte irgendwer sein«, sagte Ringmar.
»Und das wollen wir ausschließen, nicht wahr?« Halders streckte die Arme wieder nach hinten. In seinen Gelenken knackte es wie trockenes Holz, das bricht. »Oder umgekehrt.«
»Du hast wahrhaftig Gymnastik nötig«, sagte Bergenhem.
»Gymnastik mit Spiel und Sport«, sagte Halders. »Darin war ich immer der Beste.«
»Worin?«
»Um das zu verstehen, bist du noch zu jung.«
»Jetzt versteh ich gar nichts mehr.«
Die Tür wurde geöffnet, Aneta Djanali betrat das Zimmer und schloss die Tür hinter sich.
»Schon zurück?«, fragte Halders.
Sie setzte sich neben ihn, ohne zu antworten, und nahm ihr Notizbuch hervor. »Ich habe dem Personal bei Leonardsen und Talassi die Bilder gezeigt, und alle waren sich einig, dass es sich um Ecco handelt.«
»Seid ihr nur in zwei Läden gewesen?«, fragte Halders.
»Nein, ich wollte euch nur einen Eindruck vermitteln, wie es aussieht.«
»Und wie sieht es aus?«
»Wie viele haben sie verkauft?«, fügte Winter hinzu.
»Allein von den Größen 44 und 45 …« Aneta Djanali las von ihrem Block ab: »Sieben Paar bei Leonardsen und zehn bei Talassi in diesem Jahr.«
»Und im letzten Jahr?«, fragte Bergenhem.
»Letztes Jahr hatten sie die Schuhe nicht im Sortiment.«
»Warum nicht?«
»Wahrscheinlich haben sie gedacht, die will keiner mehr haben. Dass sie andere Marken anbieten müssen.«
»Dass die Ecco-Ära vorbei ist«, sagte Halders.
»Wie viele haben mit Karte bezahlt?«, fragte Winter.
»Alle außer zwei.«
»Hinter den beiden sind wir her«, sagte Halders.
»Da bin ich mir nicht ganz so sicher«, sagte Ringmar.
»Wollen wir wetten?«, fragte Halders.
»Die Schuhe auf dem Video haben vielleicht gar nichts mit dem Fall zu tun«, sagte Ringmar.
»Wollen wir wetten?«, wiederholte Halders.
»Jetzt fangen wir erst mal mit dem an, was wir haben«, sagte Winter. »Also los.«
Das Telefon hatte zweimal geklingelt. Beim zweiten Mal hatte sie nicht abgehoben.
Sie wartete, bis es hell wurde, und dann machte sie sich auf, wanderte durch die Stadt, die Parks. Es waren noch nicht viele Leute unterwegs. Sie drehte sich um.
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