Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zipfelklatscher

Zipfelklatscher

Titel: Zipfelklatscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Hohner
Vom Netzwerk:
Grün und Blau trägt nur dem Kasperl seine Frau!«
    Weil ich nicht weiß, ob sie jetzt mich damit gemeint hat, bin ich ganz froh, dass jetzt der Gorvinder beim Amsler Wirt um die Ecke biegt und sich hinter mir vorbeischlängelt. Er ist immer noch barfuß, trägt aber inzwischen eine weiße Wollmütze und eine flatternd orange Tunika.
    »Namaste, Schwester!«
    »Grüß Gott, Gorvinder, komm rein, mir sind ganz wunderbaren Ideen gekommen für unser gemeinsames Sonnengruß-&-Rosenkranz-Seminar!«, begrüßt ihn die Klosterschwester und hält ihm die Ladentür auf.
    Und zu mir sagt sie noch: »Bevor du mir das nächste Mal von deinen Schlafstörungen erzählst: Vollmond ist erst übermorgen, das weiß ich, dann schneiden wir nämlich den Lavendel. Und gegen den nächsten Kater machst du einfach ein paar Sonnengebete, das gibt dir mehr Energie als die beste Nonnenpisse. Nicht wahr, Gorvinder?«
    Und bevor ich noch etwas sagen kann, habe ich schon wieder eine Elefantengottvisitenkarte in der Hand und die beiden sind in den Katakomben verschwunden. Was ich jetzt machen werde, ist ganz klar: Maximal vitalisierender Sekundenschlaf ist gefragt. Sonnengebete mach ich jetzt höchstens im Kopf und auf dem Kanapee.

Zwei Wochen lang reißen uns die Gäste den Fisch aus den Händen, und als die Osterferien vorbei sind, haben wir keine Semmeln, keinen Meerrettich und kein Salz mehr, und unser Boot muss zur Inspektion. Und Papa nehme ich am besten mit, dann muss ich nämlich nicht den halben Tag die Küche putzen, wenn ich zurückkomme.
    »Am Montag mit zum Großmarkt? Da kann ich nicht.«
    Ich kann mir zwar Entspannenderes vorstellen, als von einem dreiundsiebzigjährigen Sturschädel begleitet zu werden, aber ich will doch wissen, was mein Papa so Tolles vorhat, dass er mich nicht zu unserem monatlichen Einkauf begleiten kann.
    »Da hab ich einen Termin bei der Frau Doktor Brüderle. Im Krankenhaus. Wegen meinem Zehnagel.«
    »Ich dachte, du wolltest nicht noch einmal zu der, weil die zu jung ist? Und jetzt gleich zu ihr in die Klinik?«
    »Mei. Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung ändern kann.«
    Ich starre meinen Vater an, der mit einer Heckenschere in der einen und einer roten Grabkerze in der anderen Hand auf der Bank vor der Hauswand sitzt.
    »Gut. Dann geh ich eben allein. Wir müssen an dem Tag übrigens Dampfer fahren, weil unser Boot dann beim Service ist. Wozu hast du eigentlich die Heckenschere in der Hand?«
    »Weiß ich nimmer«, lächelt mein Vater durch mich hindurch und macht irgendwie einen entrückten Eindruck.
    »Wolltest du zum Grab?«
    »Ja, das war’s! Reden wollt ich mit der Liesl, und ihr die Rosen zuschneiden«, nickt er langsam, streckt aber tatenlos die pantoffelten Füße in der Frühlingssonne aus. Ich gehe ganz nah an ihm vorbei ins Haus, kann aber keine Nopi-Fahne feststellen. Irgendwas stimmt trotzdem nicht mit ihm, und ich nehme mir vor, im Internet mal ein bisschen zu gucken, ob ich mir Sorgen um den Papa machen muss oder nicht.
    Das kleine niedrige Sprossenfenster meines Zimmers geht nach vorne raus, das hölzerne Fensterbrett ist fast einen halben Meter tief, denn die Mauern unseres einstöckigen Häuschens würden eher zu einer Ritterburg passen, so dick sind sie. Das ist wahrscheinlich auch der einzige Grund, warum die Sonnfischerhütte noch steht und nicht längst von Fäulnis und Sturm dahingerafft oder durch eine alpenländische Geschmacksverirrung ersetzt worden ist, wie die meisten alten Fischerhäuser auf unserer Insel. Aber da, wo hinter meinem Schreibtisch Computer-, Drucker- und Telefonkabel baumeln, hat der Putz hochkriechende braune Ränder. Sehr, sehr langsam hochkriechende feuchte Ränder, aber sie kriechen, und das nicht erst seit gestern. Kein Wunder bei einem alten Haus ohne Fundament, das keine zwanzig Meter vom Ufer entfernt liegt. Es kommt mir manchmal so vor, als wollte der See bei uns einziehen, als würde er etwas davon haben wollen, dass wir von ihm leben: Kriegst du Fische, nehm ich mir Haus.
    Gut, dass die Pinnwand den Rest der Wand abdeckt, mit einer meterlangen Tabellenkalkulation, die ich mir über den Schreibtisch gepinnt habe. Und gut, dass wir einen Biergarten betreiben, dem machen feuchte Wände nichts.
    Mit einem dicken Kissen könnte ich mich ohne Weiteres auf das Fensterbrett setzen, mit Blick auf den See und den Biergarten. Könnte. Aber heute, zwei Wochen nach Saisonstart, lege ich garantiert nicht einfach die Füße hoch. Es wird höchste

Weitere Kostenlose Bücher