Zeit für meine PR-Offensive, mit der ich den Umsatz auch außerhalb der Ferien nach oben jagen will. Doch schon die erste E-Mail, die ich lese, bremst mich erst einmal aus.
Von: anz
[email protected] Be
treff: Angebot Nr. 3267
Sehr geehrte Frau Lochbichler,
wir freuen uns über Ihre Anfrage zu Mediadaten und Anzeigenbuchung.
Eine halbseitige Anzeige, die in unseren Zeitungen Chiemgau Heute und Rosenheimer Merkur erscheint, berechnen wir Ihnen mit € 8500. Wir freuen uns, Ihnen dafür einen Neukundenrabatt von 0,25 % einräumen zu können!
Mit herzlichen Grüßen
Karl-Heinz Schweinstätter
8500 Euro minus ein Viertel Prozent? Dafür bekomme ich ja fast ein neues Boot!
Ich muss diesen Herrn Schweinstätter sofort fragen, wie sich seine Zeitung in Zeiten des Online-Vollalarms weiter finanzieren soll, wenn sie jemanden, der noch eine ehrliche Anzeige schalten will, dermaßen schröpfen.
»Chiemgaupresse, Schweinstätter.«
Als ich nach einem Grund frage, weshalb ich bei den Preisen nicht zu einer überregionalen Zeitung gehen soll, wird er gleich überheblich.
»Weil die Chiemgaupresse die qualitativ besten Leser Oberbayerns hat! Wir sind stolz auf unsere Topentscheider-Zielgruppe!«
Topentscheider-Zielgruppe? Das ist ja interessant. Vielleicht sollten die ihr Geheimnis mal der Süddeutschen oder der Financial Times verkaufen! Ich fixiere meine Umsatzkurve, die in einem schönen Vierzig-Grad-Winkel nach oben zeigt, jedenfalls in meinem 15-Jahresplan, und hole tief Luft.
»Ich bin ein regionaler Familienbetrieb, und ich finde, Sie sollten genau solche Betriebe unterstützen, und hier in meinem Betrieb und auf der Fraueninsel bin ich ebenfalls Topentscheider!«
Schweinstätter kaut an irgendetwas und fragt dann: »Und da hat Ihr Mann nichts dagegen?«
Weil ich immer noch denke, dass wir vielleicht ins Geschäft kommen könnten, bin ich mir nicht zu schade, ihm zu erklären:
»Ich habe keinen Mann. Nur meinen Vater, aber Chefin bin ich.«
»Hm.«
Schweinstätter überlegt anscheinend und sagt dann:
»Frau Lochbichler, ich mache Ihnen folgendes Angebot: Sie bekommen von uns einen Neukundenrabatt von 0,28 statt 0,25 Prozent, und Ihre Anzeige erscheint zusätzlich in unserer Am Ufer -Regionalausgabe, die außerdem das On-board-Magazin der Aschauer Hubschrauberrundflüge ist! Aber bevor Sie einschlagen, gell, da tät ich dann vorher gern noch einmal mit dem Herrn Papa sprechen. Nur zur Sicherheit, nix für ungut!«
Leider muss ich daraufhin dem Schweinstätter sagen, dass das nix wird mit uns beiden, weil es den Bock nicht fett macht, wenn ein paar luftkranke Berliner beim Überfliegen der Kampenwand auf unsere »Sonne und Fische – am liebsten beim Sonnfischer!«-Anzeige reihern, und ob er außerdem die sofortige Kündigung meines Zeitungsabos entgegennehmen kann, weil ich nämlich die Zeitung ganz allein abonniert habe und weder dafür noch für meine sonstigen Entscheidungen einen Mann brauche. Er tut total zuckersüß so, als würde er mich mit dem Aboservice verbinden wollen und schmeißt mich aus der Leitung. Das heißt, ich schmeiße mich selbst aus der Warteschleife, weil ich mir nicht länger als eine Minute die bayerische Nationalhymne anhören will. Und dann rufe ich meine Schwester an, denn die kennt sich als ehrgeizige Modejournalistin hoffentlich besser aus in der Medienbranche.
»Eine ganze Seite schalten, in so einem Käsblatt?«
Meine Schwester lässt sowieso kein gutes Haar an meinem Plan zur Umsatzsteigerung.
»Facebook! Und studiVZ! Lokalisten! Hast du vergessen, dass sie euch ein fettes Glasfaserkabel auf die Insel gelegt haben, damit ihr schneller surfen könnt als die Leute auf dem Festland?«
Nein, das habe ich nicht vergessen, weil das Glasfaserkabel eine Initiative von Schwester Sebastiana war und ich als Topentscheiderin damals natürlich mit unterschrieben habe. Aber ich finde trotzdem, dass Fränzi von meiner Zielgruppe keine Ahnung hat.
»Unsere Gäste haben kein Facebook! Der Fraueninseldurchschnittstourist, der ist weniger vernetzt als der Chiemsee zur Schonzeit! Wir sind ein traditioneller Betrieb, und das soll auch so bleiben! Das hat Papa aufgebaut, und ich werde das fortführen, aber nicht umkrempeln!«
Ich habe mich inzwischen doch vom Schreibtisch weg in die niedrige Fensterwölbung gesetzt, und kratze mit dem Fingernagel am lockeren Fensterkitt.
»Der macht mir übrigens in der letzten Zeit Sorgen – den einen Tag geht er im Pyjama sündteure