Zipfelklatscher
mir einen Benzinkanister fast bis nach Chieming gebracht hat, weil ich überhaupt nicht damit gerechnet hatte, dass auch mein Reservekanister leer sein könnte.
Aber Hubsi, jetzt ganz Fernsehmann, legt seine Zettel auf den Tisch und unterbricht mich schon wieder. Ist dem anscheinend total egal, dass meine Antworten aufgezeichnet werden.
»Aber sind nicht viel zu viele Fische in diesem Becken?«
Wahrscheinlich ist er stolz darauf, dass er so einen tollen Ausdruck für die Gastronomiedichte auf der Fraueninsel gefunden hat.
»Natürlich sind viel zu viele Fische in diesem Becken, aber es ist nicht so, dass wir uns hier um die Gäste streiten. Die meisten Fischer wohnen ja nicht auf der Insel, sondern darum herum.«
»Aber sind die großen Gasthäuser nicht eine existenzielle Bedrohung für dich?«
Ich überlege kurz. Ich werde auf gar keinen Fall vor laufender Kamera auf die Konkurrenz schimpfen.
»Nein, jeder hat seine Nische. Wir als Fischerei sind traditionell wie eh und je, das findet man sonst nirgendwo. Und der Zoran vom »Wirtshaus am See« zum Beispiel, der macht einen Schweinsbraten, der seinesgleichen sucht, das ist also toll für alle Gäste, die nicht so gerne Fisch essen. Und das »Hotel zum See«, das richtet die vielen Hochzeiten aus, die hier auf der Insel stattfinden, und bekommt gerade einen etwas edleren Anstrich. Streiten, das nützt doch nichts, da geht nur die Atmosphäre hier zugrunde.«
Der junge Mann mit dem Kopfhörer auf dem Kopf hebt kurz die Hand, dreht mit gerunzelter Stirn an den kleinen Knöpfchen des Kästchens herum, das ihm an einem Gurt um den Hals hängt, und unterbricht mich:
»Moment, bitte! Zu viel Wind!«
Ich drehe den Kopf weg, damit er mir ein kleines Schaumstoffhütchen über das winzige Mikrofon an meinem Ausschnitt stülpen kann. Während Hubsi den Vorgang aufmerksam mitverfolgt und mir auf den Busen glotzt, bemerke ich, dass mein Vater nicht mehr am Verkauf zu sehen ist. Bevor ich mich noch wundern kann, erreicht eine beachtliche Schallwelle mein Ohr.
»UND DER MENSCH HEISST MENSCH!«
Der arme Assi lässt mein T-Shirt los, reißt sich die Kopfhörer von den Ohren und sieht sich nach der Quelle dieses plötzlichen Getöses um.
»WEIL ER VERGISST, WEIL ER VERDRÄNGT!«
Mein Vater hat sich an den Tisch vor der Küche gesetzt, den Ghettoblaster vor sich, und schenkt sich einen Nopi ein.
»Kannst du die Musik leiser stellen?«, fahre ich hoch.
» ES IST SONNENZEIT!«
Hubsi schüttelt den Kopf und macht sich eine kleine Notiz.
»Leiser!«, rufe ich, wieder ungehört.
»DU FEHLST!«
»Mach die Musik aus! Da kann einem ja schlecht werden!«
Aus. Stille. Ursula hat schlagartig für Ruhe gesorgt und hält den Stecker des Ghettoblasters in der Hand.
Nur mein »Da kann einem ja schlecht werden!« hängt noch in der Luft. Und in die Stille hinein steht mein Vater auf. »Dann fahr ich halt auf Prien, wenn’s mich hier nicht haben wollt’s!«
Und weg ist er. In Pyjama und Gummischürze.
»Das Scheißanzuchtbecken! Das sollte man langsam mal zusperren!«
Das sage ich nur ganz leise, zwinge mich zur Ruhe, und lächle Hubsi und dem Tonassi entschuldigend zu: »Warum gehen wir nicht einfach mal an den See und ich zeige euch die Boote? Netze, die zum Trocknen aufgespannt sind, die sind bestimmt ein schönes Bild für den Bayerischen Rundfunk!«
Aber erst als ich hinzufüge: »Der See und die Kampenwand, war das früher nicht ein beliebtes Motiv bei den Chiemseemalern?«, gibt sich der Hubsi einen Ruck und winkt dem Kameramann, mir zu folgen.
Der Dreh ist nachmittags im Kasten und ich hole für den Tonassi und Hubsi einen Weißwein und zwei Räucherrenken im Stück. Hubsi kann es kaum erwarten, dass ich zurückkomme, denn ich habe ihm gerade etwas von der Eingebung erzählt, die ich hatte, als ich im Interview den Zoran erwähnt habe. »Du kennst eine echte Wirtstochter, die keinen Mann findet? Natürlich mache ich einen Beitrag über die!«
Er ist von meiner Idee, der Molly per Fernsehbeitrag einen Mann zu suchen, sofort begeistert.
»Ist dir klar, Kati, wie wichtig die Wirtstöchter des Chiemgaus für die Künstlerkolonien hier waren? Denk an die Chiemseemaler, die sich dann in diese schönen Mädchen verliebten! Ihre Gene mischten sich und heraus kam dieser sagenhafte Chiemgauer Menschenschlag, diese Mischung aus Kreativität, Leichtigkeit und Verbohrtheit. Gut möglich, dass auch die Sonnfischers solche Anteile in sich haben, oder?«
Ich kenne mich nicht
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