Zipfelklatscher
entsprechend theatralische Handbewegung zu unserem Biergarten hin.
»Hier gibt es den besten Räucherfisch, alles noch traditionell hergestellt. Von dieser fleißigen Fischerin hier!«
Brav! Ich brauch jetzt nicht mehr dazu sagen, dass die alte Drechsel eine hochgradig sympathische Person ist, mit der ich leider viel weniger zu tun habe als mit der Emerenz, die jetzt mit einer Sirenenstimme, in der man das Unwetter praktisch schon heulen hört, zu den Seglern sagt: »Ja verreck, ihr mechads no aussi aufn See? Habts es die Sturmwarnung ned gseng?« Die drei Segler, ein Mann mit Frau und Tochter, alle in pastellfarbenen Lacoste-Polos mit dem hochgestellten Kragen, nicken dem giftigen Weiberl freundlich zu, weil sie wahrscheinlich kein Wort verstanden haben, ziehen die Ärmel ihrer um den Hals geschlungenen Kaschmirpullis etwas enger und suchen sich im Biergarten den schönsten Platz aus, direkt am See, unter dem blühenden Mirabellenbaum. Ich wische mir die Hände ab und gehe zum Verkauf. Und als Dank für die Kundschaft gebe ich der alten Drechsel höchstpersönlich einen Nopi aus. Und zwar nur ihr, obwohl mich die Emerenz bettelnd von der Seite ansieht wie ihr geliebter Kini [27] einen hübschen Stallburschen.
»Und, hat’s geschmeckt?«, frage ich nach einer halben Stunde, als ich den Herrschaften die Grätenteller abräume. Meistens frage ich dann auch immer noch, ob sie noch einen Fisch mitnehmen wollen für daheim. Die Drechsel Caro nickt: »Sehr gut, wie immer, Kati«, und die jüngere der beiden Frauen sagt: »Fast so gut wie das Renkenfilet an Zitronenschaum heute Mittag im ›Hotel zum See‹!«
»Zitronenrenke, im ›Hotel zum See‹? Haben die oben neue Fischgerichte auf der Karte?«, hake ich so locker wie möglich nach. »Hast du da auch was gegessen, Caro?«
Die Drechsel sieht meinen Blick und beeilt sich, zu retten, was zu retten ist.
»Ach, nur ein Süppchen, Kerbelcreme mit Zandernocken, aber das kann man ja auch nicht vergleichen. Das, das war gehobene Küche, und du bist Fischerin, da ist das Essen bewusst einfach gehalten, nicht wahr?«
»Einfach, genau«, pflichtet jetzt der Mann zu und schaut mich von oben bis unten an, wie ich dastehe mit meinen zwei Tabletts voll mit Fischköpfen. »Für den, der’s mag. Und sonst ist es doch auch schön, dass es jetzt auf der Insel auch eine Adresse für Gourmets gibt!«
Ich kann mir plötzlich nicht vorstellen, dass die Herrschaften sich in Pergamentpapier gewickelte Sonnfischerrenken in die teuren Lacoste-Taschen packen wollen, und stapfe in meinen Gummistiefeln zurück ins Haus. Zandernocken und Zitronenschaum. Da schau her. Und gut soll es auch noch gewesen sein. Die Sturmwarnung am Hauptsteg blinkt tatsächlich auf schnellster Stufe, und über der ganzen Insel hängt das unheilschwangere Rauschen der Linden, in die die erste Sturmböe hineinfährt. Ich muss sagen, das passt verdammt gut zu meiner Stimmung.
Am nächsten Morgen ist der Platz, an dem mir gestern Abend die Freunde der gehobenen Küche die Laune versaut haben, leider kaum mehr wiederzuerkennen: Ausgerechnet der Mirabellenbaum hat den Sturm nicht überstanden und ist halb in den Biergarten, halb in den Zaun gekracht.
»Da muss einer heute noch ins Sägewerk fahren, um neue Zaunlatten zu kaufen. Und vorher muss der Ast noch weg! Der blockiert uns ja drei Tische!«
Keine Antwort. Ich erwarte auch keine, denn mir ist durchaus klar, dass ich ein Selbstgespräch führe. Ich bin ja nicht bescheuert. Aber weil sich anscheinend sonst niemand für den Schaden interessiert, rede ich eben mit mir selber. Da kann ich wenigstens sicher sein, dass mir einer zuhört.
»Das werden wir gleich haben. Bei dem Wetter haben wir eh keine Gäste!«
Ein Fuchsschwanz ist eine Säge, kein Fischernetz, also gehe ich zum Lechner Sepp, um mir einen auszuleihen. Ich hoffe außerdem, dass er mich fragt, ob ich nicht nur Werkzeug, sondern auch Hilfe brauche. Als mir aber seine Frau aufmacht und die Hände mit knallrot glänzenden Fingernägeln schwenkt, weiß ich, dass der Sepp nicht da sein kann, weil ihn der Gestank von frischem Nagellack immer total auf die Palme bringt.
»Der Sepp ist nicht da, wir haben heut zu wegen dem Sauwetter.«
»Aber ab Mittag soll’s wieder schön sein!«
»Trotzdem«, zuckt seine Frau mit den Schultern und macht die Tür keinen Spalt weiter auf, »heut bleibt zu, der Sepp hat eine Lieferung gehabt nach Traunstein und ist dann gleich weiter, weil er mit seiner Mama und der
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