Zipfelklatscher
ganz leicht, und dann macht du hier so Kreise, genau, Kreise, ja genau, nicht zu fest drücken. Am besten holst alle deine CDs her, und ich spiel die auf meinen Laptop und dir dann da drauf!«
Mein Vater verschwindet so behende im Haus wie ein Teenager, und ich erinnere mich daran, dass ich mich ja jetzt immer freuen will, wenn ich den Michi-Mike sehe, und frage ihn sonnig: »Hast du heut schon wieder frei?«
»Ja. Urlaub, halber Tag.«
»Warum? Ist der Job so stressig?«
»Nein, wegen dem da!«
Und mit einer Kopfbewegung – er hat übrigens den rauswachsenden Iro an den Kopf gebügelt und sieht jetzt ein bisserl aus wie Campino, der sich für eine Banklehre bewerben will – zeigt er auf das Nordende unseres Biergartens, wo neben dem Baumstumpf des alten Mirabellenbaums immer noch die Lücke im Zaun klafft.
»Das wollt ich mir mal anschaun. Du kommst ja sicher ned dazu, gell?«
Und er zieht tatsächlich so ein dickes Maßband zum Aufrollen aus der Laptoptasche und macht sich an unserem Zaun zu schaffen. Der ist neuerdings ganz schön auf Zack, denke ich mir, und, dass ihm so was Chefmäßiges vielleicht doch ganz gut steht.
»Acht Meter«, ruft er, »ist das denn auch die Grundstücksgrenze?«
»Nein«, rufe ich zurück und begrüße nebenbei die ersten Gäste, »mit dem Zaun haben wir nur den Biergarten eingefasst. Unser Grund geht bis ganz zum See runter. Warum?«
»Ach, nur so. Vielleicht willst ja mal ein Stückerl verkaufen.«
»Niemals! Nur über meine Leiche!«
»Ist ja gut«, sagt Michi-Mike und kommt ein bisserl näher, sehr viel näher, bis ich wieder diesen Herrenduft riechen kann, den er neuerdings spazierenträgt. Ich gehe aber einen Schritt zurück, weil mein Vater gerade wieder aus dem Haus kommt.
»So. Da san jetzt meine CDs.«
Michi-Mike lässt sein Maßband wieder einrollen, dass es nur so schnalzt, und öffnet die erste CD-Hülle.
»Kein Problem, Boni, in einer halben Stunde sind wir fertig.«
»Kommst später zum Fernsehschauen?«, frage ich noch. »Im BR kommt ein Beitrag über mich!«
»Ja logisch! Mit dem Janni, wenns recht ist!«
»Na klar, je mehr, desto besser!«
Ich beschließe, einfach alle einzuladen. Ich schicke Zoran, dem Amsler Wirt, eine SMS, entschlossen, meinen abtrünnigen Kunden wieder zurückzugewinnen. Bei der Emerenz schau ich auch noch einmal vorbei, denn meine Nachbarin hat als Neuigkeiten-Multiplikator die Strahlkraft eines Regionalsenders.
Am Nachmittag gehe ich kurz zum See runter und setze mich auf einen Berg aus Netzen, weil ich mich entscheiden muss, was ich heute bezüglich Hotel und Hausverbot unternehmen will. Eigentlich könnte ich schnell hochgehen und mich bei David Krug entschuldigen. Oder besser doch morgen? Aber morgen kann ich ihm das mit dem Beitrag nicht sagen. Ich komm nicht aus der Nummer raus und das macht mich saumäßig nervös. Was soll ich denn anziehen, wenn ich da jetzt hochgehe? Was, wenn er mich einfach auslacht, der feine Herr Krug?
»Es kann dir gar nichts passieren«, beruhigt mich meine Schwester am Telefon, »das Kind ist doch schon in den Brunnen gefallen. Aber du musst dich einfach entschuldigen und das dürfte dir ja nicht schwerfallen, denn es tut dir ja leid. Oder?«
»Dass ich das mit dem Swingerclub gesagt habe, das tut mir leid, der Rest nicht. Der hat ja keine Ahnung, wie es ist, auf dieser Insel zu leben, wo dir immer einer über die Schulter schaut. Ich bin Single, warum soll ich keine One-Night-Stands haben?«
»Nun, dann entschuldige dich halt für den Swingerclub und schau, was passiert. Du bist ja weder auf den Kopf noch auf den Mund gefallen.«
Nein, das bin ich nicht. Trotzdem gehe ich schnell noch ins Büro und mache mir einen kleinen Zettel, auf dem ich festhalte, was ich sagen will.
»Lieber Herr Krug, ich wollte mich entschuldigen …«
Quatsch. Ich will ja keine Rede halten. Aber förmlich bleiben erscheint mir trotzdem angemessen:
»Entschuldigung, dass ich gesagt habe, dass Sie einen Swingerclub aufmachen wollen. Und dann wollte ich noch sagen, heute um sieben im BR …«
So wird das nichts. Ich beschließe, es darauf ankommen zu lassen und zu improvisieren. Ich tusche mir sogar die Wimpern und ziehe mir ein frisches T-Shirt an. Türkis, wegen der rotblonden Haare. Nicht mehr, sonst denkt der noch, ich wollte einen guten Eindruck machen, dabei habe ich das doch gar nicht nötig. Nur ein bisschen vielleicht.
»Grüß Gott.«
An der Rezeption thront seit Neuestem eine blonde Dame
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