Zipfelklatscher
alle !«, smst mir meine Schwester, und ich verstehe das ausnahmsweise nicht als Kritik, dass ich nicht so tipptopp vernetzt bin wie sie, sondern bin richtig aufgeregt. Als sich dann um Viertel vor sieben tatsächlich der Biergarten füllt, schicke ich Ursula von Tisch zu Tisch, verteile Weißbier, Veltlinerschorle, Räucherrenken und Meerrettichschälchen, und für Zoran ein Paar Wiener mit Senf. Alles aufs Haus, versteht sich. Ich frage Michi-Mike, wohin mein Paps verschwunden ist, aber der hat auch keine Ahnung. Ich platziere Schwester Sebastiana, Gorvinder und Zoran auf den besten Platz neben dem Beamer, den Janni Kraillinger aus seinem Multimedia-Haushalt hergeschleppt hat, und achte darauf, meinem Vater einen Platz ganz vorne freizuhalten. Michi-Mike zwinkert mir aufmunternd zu, winkt der Emerenz, sich neben ihn zu setzen und rollt noch zwei Sonnenschirme gegen die Abendsonne herbei, damit die angebeamte Hauswand im Schatten liegt – es kann losgehen.
Die Sendung »Bayern privat« hat einen kitschigen Vorspann aus föhniger Voralpenlandschaft, mit Zithergezupfe unterlegt, aber das macht nichts, schließlich bin ich in dieser Bilderbuchwelt tatsächlich zu Hause. Die BR-Moderateuse lächelt uns an, und ich habe das Gefühl, als würde sie mir Mona-Lisa-mäßig direkt ins Gesicht schauen, als sie sagt: »… Hat unser Reporter für den Chiemgau, Hubert Koch, die Fischerin Kati Lochbichler besucht. Das Porträt einer eigenwilligen Frau auf einer eigenwilligen Insel.«
Ich finde es toll, den eigenen Namen aus dem Mund einer so wichtigen Person zu hören, das geht so richtig unter die Haut, auch wenn ich nicht genau weiß, was sie denn mit eigenwillig meint. Selbstbewusst wahrscheinlich. Genau, selbstbewusst. Was sonst?
Der Beitrag fängt mit einem langen Schwenk über die Netze an, die vor dem Profil ins Licht der Nachmittagssonne getauchten Kampenwand aufgespannt sind, grünes Gras, blaurosa Himmel, der Chiemsee. Ein Traum.
»Wenn man es so sieht, fällt einem noch einmal auf, wie reich uns der Herr hier beschenkt hat«, sagt Schwester Sebastiana ergriffen, und Gorvinder legt die Handflächen vor dem Herzen zusammen und schaut anerkennend nach oben in den Himmel.
»Es gibt noch ein Paradies in Oberbayern«, beginnt eine sonore Stimme, die mir bekannt vorkommt. Offensichtlich hat der Hubsi seinen Beitrag selbst vertont, er hat wirklich eine gute Stimme, nicht nur als Sänger, und meine Achtung vor ihm steigt. Tut mir immer noch ein bisserl leid, dass ich ihn das zweite Mal so habe abblitzen lassen, aber was hätte ich machen sollen – nach der Geschichte mit dem Toupet hatte sich das mit dem Sexappeal irgendwie erledigt. Außerdem: ohne inkognito und mit der Emerenz in Hab-Acht-Stellung? Wenn ich vor deren Augen jemanden mit aufs Zimmer nehme, muss ich mir schon dreihundertprozentig sicher sein, dass das dann der Mann fürs Leben ist.
Inzwischen bin ich das erste Mal im Beitrag zu sehen, ich mache irgendwas am Boot, Bottiche rausräumen, und es geht um die Fischerei, genau, Fischerin, ein Traumberuf, jawoll, gut hat er das gesagt, der Hubsi. Und dann kommen ein paar Bilder: das Haus vom Lechner Sepp, genau, und das ›Hotel zum See‹, und das ist die Wirtschaft vom Amsler Wirt, … Und irgendetwas gefällt mir nicht, auch meine Gäste gucken irritiert zu mir rüber. Denn die Musik, die klingt eher nach »Spiel mir das Lied vom Tod«, dabei hätte etwas Fröhliches viel besser gepasst, der Hubsi müsste sich doch in der Materie auskennen, oder? Und dann kommt ein Unterwasserbild, ein Fischschwarm, der nicht aus dem Chiemsee ist, das sehe ich gleich, das hat der einfach da reingeschnitten, damit es besser zu seinem Text passt, denn er sagt gerade: »Aber auch dieses Paradies ist von Menschen bewohnt, und die sind nicht besser als anderswo. Im Gegenteil: Kommerz und Konkurrenz sind die zwei großen Störfaktoren hinter der idyllischen Fassade. Ein Haifischbecken …«, (Kaum zu glauben, da kommt tatsächlich ein Hai mit offenem Maul durch den Fischschwarm geschwommen! Das haben die dem durchgehen lassen, beim Sender? Ein Hai in einem Chiemseebeitrag?), »… unter schöner Oberfläche.«
Bei »schöner Oberfläche« filmt er mir direkt in den Ausschnitt, und ich muss eigentlich sagen, dass ich mir ganz gut gefalle, braun bin ich, das weiße Trägerhemd hebt sich gut dagegen ab, meine Haare stehen nicht so wild vom Kopf ab, wie ich dachte, und meine Augen blitzen, als ich den Off-Text
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