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Zipfelklatscher

Zipfelklatscher

Titel: Zipfelklatscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Hohner
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Vorsicht, als wäre ich im Moment psychisch eher auf der labilen Seite unterwegs, und ich habe den Verdacht, dass meine Schwester ihm das auch genau so erzählt hat.
    »Kati, gut dass du anrufst, ich habe für Papa einen Termin bekommen! Schon Ende der Woche!«
    Das ist gut so. Denn seitdem mein Vater Stunden nach der BR-Katastrophe seelenruhig daheim aufkreuzte und mich verwundert fragte: »Beitrag? Welcher Beitrag? Das hast du mir gar nicht erzählt!«, bin ich mir endgültig sicher, dass mit ihm etwas nicht stimmt.
    »Der Jürgen legt mir gerade das Chiemseewetter hin. Bei euch regnet es ja immer noch – und wird auch nicht so schnell aufhören! Dann komm doch mit nach München!«
    Meine Schwester will mich unbedingt dazu überreden, bei ihr ein paar Tage Urlaub zu machen, und sieht partout nicht ein, dass ich das Geschäft in schweren Zeiten nicht einfach zusperren kann.
    »Das wird schon wieder. Für so ein Wetter hat man Reserven«, mache ich mir selbst Mut.
    »Echt, hast du?«
    Darauf sage ich lieber nichts. Stattdessen lass ich das Telefon sinken und gebe Michi-Mike ein Bussi rechts und ein Bussi links, weil er nämlich gerade zur Tür hereinkommt.
    »Servus, Kati«, sagt er und fasst mich ein bisschen fester um meine Taille.
    »Wer war das?«, schreit meine Schwester in mein Ohr, »das war doch der Michi!«
    »Ja, der Michi!«
    Als ich seinen Blick sehe, verbessere ich mich und sage: »Ich meine, der Mike ist da. Der holt mich ab, wir wollten heute ins Schloss Seeblick zum Essen gehen.«
    »Wieso ist der hier? Ich dachte, du …«
    »Der ist der Einzige, der noch mit mir redet.«
    Als Michi-Mike das hört, lacht er, deutet eine Kusshand an und geht in die Küche, um meinen Vater zu begrüßen, als wäre er hier daheim.
    »Aha. Geht da was?«
    »Keine Ahnung«, flüstere ich in den Hörer und verfolge durch die Küchentür, wie das Gesicht meines Vaters aufleuchtet, als er Michi-Mike sieht, und er sofort den iPod aus der Tasche seines Bademantels zieht. Mein Papa sieht gut gelaunt, aber irgendwie müde aus. Tiefe Falten. Augenringe. Graue Bartstoppeln. Ich muss an das Gesicht von Rudi Assauer denken, damals in diesem Magazin, und schlucke. Gut, dass wir in die Klinik gehen.
    »Kommst du jetzt eigentlich mit nach München oder nicht?«, fragt mich die Fränzi.
    »Ich schaue, wenn sich in den nächsten zwei Tagen der Regen nicht verzieht, dann komme ich.«
    Wir drucksen beide so ein bisschen herum, ich weiß aber, dass wir das Gleiche denken. Meine Schwester ergreift schließlich das Wort.
    »Hast du vor ein paar Wochen den Artikel …«
    »Ja, der mit dem Alzheimer …«
    »Denkst du, dass der Papa …«
    »Keine Ahnung.«
    Wir schweigen beide unbehaglich. Ich gebe mir einen Ruck.
    »Ich komme mit. Nächste Woche mache ich zu. Und ich komme mit nach München.«
    »Gut«, sagt meine Schwester. »Sehr gut. Danke.«
    Meine Variation vom Räucherfisch verkauft sich trotz der Preiselbeersahne im Laufe des Tages null Komma null Mal. Nach Feierabend welkt sie auf dem Personaltisch vor sich hin und erfreut sich auch bei Michi-Mike und meinem Vater allgemeiner Unbeliebtheit. Ich kann das Elend nicht mehr mit ansehen, und greife nach dem Teller.
    »Satz mit x: War wohl nix!«
    »Ha?«
    »Ach nichts. Ich mach dann zu, damit wir rechtzeitig ins Seeblick kommen, okay?«
    Ich haue meinen gescheiterten Fingerfoodversuch in die blaue Tonne und schiebe sie zu unserem Weg. Heute ist wieder Fischabfall-Tag, und die Tonne ist bei dem Kundenschwund, den ich letzte Woche hatte, so voll wie nie. »Mei Kati, ich mach des für dich, und ich mach’s gern!«, schimpft Michi-Mike. »Aber ich hab’s ja schon mal gesagt, dass das kein Beruf ist für eine Frau, mit dem ganzen g’stinkerten Zeug!« Er nimmt mir die Tonne ab, und ich wickle meine alte Strickjacke ein bisschen enger um mich herum. Und während ich ihm so zusehe, wie er mit der Tonne verschwindet, überlege ich, wie er wohl küsst, der Michi-Mike. Komisch, dass ich mir das so überhaupt nicht vorstellen kann. Ich drehe mich um und gehe zurück ins Haus, um die Spülküche sauber zu machen, Ursula habe ich nämlich seit letzter Woche freigegeben. Genauer gesagt, seit dem Beitrag. Seitdem ich gar keine Wirte mehr beliefere, schaffe ich das tägliche Geschäft auch alleine. Ist doch toll. Muss ich jetzt auch niemanden mehr bezahlen. Nehme ja jetzt auch nur noch die Hälfte ein.
    Ich beschließe, dass eher ich eine Politur brauche als meine Spülküche, die heute eh kaum

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