Zirkus Mortale: Kriminalroman (German Edition)
hockten, hatten er und Lisa jede Menge Erinnerungen ausgetauscht
und unter unendlich vielen Weißt du noch? die eine oder andere Situation
von früher neu auferstehen lassen, zwar unter dem alles überdeckenden Mantel der
Traurigkeit, dass Sabrina die Geschichten nicht mehr mit ihnen teilen konnte, aber
sie hatten es geschafft, zwischen sich die alte Nähe und Vertrautheit wiederzubeleben,
die vieles leichter machte.
Auf dem
Weg zum Zirkus, den sie zu Fuß zurücklegten, fand er Gelegenheit, Lisa auf die Sabrina
der letzten Monate anzusprechen, die Sabrina, die ihm völlig fremd war. Jana und
Luz gingen ein paar Schritte hinter ihnen und Lisa vertraute ihm mit leiser Stimme
an, dass ihre Schwester mit dem Gedanken gespielt hatte, sich scheiden zu lassen.
»Wusste
Luz davon?«, wollte er wissen.
Lisa verneinte.
»Sabrina hatte einen Liebhaber«, sagte sie und fügte hinzu: »Aber er war nicht der
Grund, sondern nur der Auslöser für ihren Scheidungswunsch. Durch diese Beziehung
ist ihr klar geworden, wie brüchig ihre Ehe war.«
»Weißt du,
wer es ist?«
»Sie hat
ein großes Geheimnis darum gemacht, ich habe nie verstanden warum. Allerdings hat
sie einmal erwähnt, dass Sam ihn gut kenne und dass er ausflippen würde, wenn er
erfahren würde, wer es ist.«
»Hast du
wirklich keinerlei Anhaltspunkte?«, wollte Florian wissen und starrte Lisa an.
Sie überlegte
einen Moment. »Nein.«
»Was war
so toll mit dem Neuen?«
»Der Sex.«
Florian
holte tief Luft, dann fragte er leise: »Wusstest du, dass sie sich fesseln ließ?«
Lisa blieb
mitten auf der Straße stehen. »Ja, aber woher weißt du das?«
Er erzählte
ihr von dem Laden, in dem Sabrina Stammkundin gewesen war, und Lisa hörte ihm aufmerksam
zu. »Sie hat mir davon erzählt, aber sie wollte vor allem von mir wissen, ob ich
auch solche Vorlieben habe … ich meine, wir sind Schwestern …«
Florian
sah sie überrascht an. Daran hatte er noch gar nicht gedacht. »Und …?«
Sie schüttelte
den Kopf.
»Wenn wir
herausbekommen würden, wer ihr Liebhaber war, hätten wir vermutlich den Mörder.«
»Was ist
mit Sam?«, fragte sie. »Ich halte es immer noch für möglich, dass er sie umgebracht
hat.«
»Ich denke,
er ist rehabilitiert? Der Verdacht gegen ihn ist ausgeräumt. Du magst ihn nicht,
stimmt’s?«
»Seit ich
weiß, was er ihr angetan hat, nicht mehr«, sagte sie nach einer Weile.
»Aber Sam
hat ein neues Alibi …«
»Das ist
doch eine Farce, vermutlich ist es genauso erstunken und erlogen wie das erste.
Ich sage dir, sein Chef hat es ihm verschafft .«
»Wieso glaubst
du nicht daran, dass es wahr sein könnte?«
»Er und
sein Chef verfolgen die gleichen wirtschaftlichen Interessen. Eine Kanzlei, dessen
Sozius unter Verdacht steht, seine Frau umgebracht zu haben, kann bald den Laden
dicht machen, meinst du nicht?«
»Wo will
er sich zur Tatzeit aufgehalten haben?«
»Es ist
so einfach, dass du es nicht glauben wirst.« Lisa kniff die Augen zusammen.
»Nun sag
schon.«
»Er behauptet,
sie seien zusammen in der Kanzlei gewesen und hätten dort einen Fall besprochen.«
»Ach … und
warum fiel ihm das jetzt erst ein?«, fragte Florian. »Das hört sich in der Tat etwas
simpel an.«
Lisa zuckte
mit den Schultern. »Er sagt, er habe nicht weiter darüber nachgedacht. Schließlich
habe Sam ja ausgesagt, dass er bei einem Freund essen gewesen sei, und damit sei
die Sache für ihn erledigt gewesen.«
»Das hört
sich sehr merkwürdig an.«
»Du sagst
es.« Lisa seufzte. »Ich weiß inzwischen tatsächlich nicht mehr, was ich glauben
soll. Das Schlimmste ist, dass ich Sam früher einmal sehr nett fand, aber das ist
lange her …« Sie stockte. »In den letzten Tagen, bevor sie ihn festgenommen haben,
da war er so …«
Florian
ergriff ihren Arm und drückte ihn sanft. »Wie war er?«
»Unberechenbar.
Entweder war er völlig verschlossen, hat keinen Ton mit uns geredet und uns völlig
übersehen oder er war aggressiv.«
Florian
zuckte zusammen. »Erklär das bitte.«
»Ich weiß
nicht, naja … er hat Luz ein paar Mal so angefahren, dass ich dachte, er schlägt
jeden Moment zu. Es passierte beispielsweise, wenn sie ihm widersprochen hat. Meist
waren es Kleinigkeiten, und manchmal hat sie einfach nicht auf ihn gehört. Wenn
er sie aufgefordert hat, Schularbeiten zu machen, die Musik leiser zu drehen, sich
die Zähne zu putzen, den PC auszustellen, endlich ins Bett zu gehen … solche Dinge,
dann hat sie ihn ignoriert. Es war eine
Weitere Kostenlose Bücher