Zirkus Mortale: Kriminalroman (German Edition)
kamen sie die Stufen hoch.
Die Nachbarin verabschiedete sich endgültig, das Gebrüll ihres Kindes war unerträglich
geworden, und rasch wünschte sie Florian, mit einem lächelnden Blick auf Jana, der
sie schon mehrfach begegnet war, einen schönen Abend.
Ohne Jana
und Eddie auch nur zu begrüßen, strömten die Worte aus ihm heraus, und er berichtete,
dass Zicke ganz in der Nähe beim Gemüsehändler gesehen worden war.
»Dann nichts
wie runter«, entschied Jana. »Vielleicht versteckt sie sich hier irgendwo.«
Nur wenige
Sekunden später fiel die Haustür hinter ihnen ins Schloss.
Länger als eine Stunde hatten sie
nach Zicke gesucht, aber gefunden hatten sie die Katze nicht. Doch jetzt, wo Florian
wusste, dass sie lebte, fühlte er sich leicht und hoffnungsfroh.
Inzwischen
hatten sie gegessen, die Teller waren bereits in der Spülmaschine verschwunden,
und nun saßen sie auf seiner Terrasse und ließen ihre Blicke über den Sportplatz
und den angrenzenden Friedhof streifen. Die Abenddämmerung tauchte alles in ein
sanftes Licht. Jana ging hinein und kehrte mit einer Kerze in der Hand zurück. Als
sie den Docht entzündet und sich auf ihrem Stuhl entspannt zurückgelehnt hatte,
berichtete sie: » Children’s Hope hat im vergangenen Jahr 45 Millionen Euro
an Spendengeldern eingenommen. 85 % der Gelder wurden auch tatsächlich
Spendenzwecken zugeführt, der Rest ist in die Verwaltung geflossen und wurde für
Personal, Public Relations Maßnahmen und Werbung verwendet. Es sieht ganz danach
aus, als ob der Laden korrekt arbeitet. Sie haben sechs fest angestellte Mitarbeiter,
darunter Christian Sauer, und der ist seit fünf Jahren dort beschäftigt. Er ist
für die Erdbebenopfer in Haiti und traumatisierte Kindersoldaten in Afrika zuständig.
Sabrina als Ehrenamtliche hat ihn bei seiner Arbeit unterstützt.«
»Weißt du
etwas über ihn persönlich?«, fragte Florian.
»Er ist
42 Jahre alt und lebt mit seinem Lebensgefährten in einem Stadthaus in Sülz. Sie
joggen zusammen dreimal die Woche abends um den Decksteiner Weiher . Wenn
er sich nicht in Krisengebieten aufhält, geht er auch gern ins Konzert. Außerdem
liest er viel.«
»Was noch?«
»Neben den
Festangestellten sind insgesamt 15 ehrenamtliche Mitarbeiter für Children’s Hope tätig, Sabrina war eine von ihnen«, erklärte Jana und fügte hinzu: »Christian Sauer
hat übrigens schon vor seiner Anstellung bei Children’s Hope für namhafte
Kinderschutzorganisationen gearbeitet. Es scheint, als sei er ein alter Hase im
karitativen Geschäft.«
»Ich habe
mich am Nachmittag mit ihm getroffen«, sagte Florian.
Jana und
Eddie sahen ihn verblüfft an.
»Ich bin
einfach spontan zu ihm ins Büro gefahren, in der Hoffnung, dass er ein paar Minuten
Zeit für mich hat. Als er hörte, dass ich über Sabrina sprechen wollte, wurde ich
sofort vorgelassen.« Florian nahm die Flasche Wein aus dem Kühler und schenkte nach.
»Was er mir über Sabrina erzählt hat, war ziemlich aufschlussreich. Ich glaube,
ich habe jetzt eine heiße Spur …«
»Inwiefern?«
sagten Jana und Eddie beinahe wie aus einem Mund und starrten ihn an.
»Christian
Sauer hat mir erzählt, dass Sabrina sich seit ein paar Wochen intensiv für Auslandsadoptionen
interessiert hat. Auch für Adoptionsrecht und Adoptionsagenturen in Guatemala.«
»Hat er
eine Ahnung warum?«, wollte Jana wissen.
Florian
betrachtete ihr Gesicht. Im zunehmenden Dämmerlicht erschien sie ihm schöner denn
je. Ihr ausgeschnittenes, dunkelgrau glänzendes Top ließ die Knochen ihres Brustbeins
frei, und er dachte, dass die kleine Mulde an ihrem Hals seltsam verletzlich wirkte.
Langsam schüttelte er den Kopf. »Nein, aber er hat mich zwei Stunden mit einer Menge
Ordnern allein gelassen. Ich konnte sie mir im Konferenzraum in aller Ruhe ansehen.«
Jana rückte
ein Stück vor, und Eddie strich sich bedächtig über sein Kinn. »Was hast du entdeckt?«,
wollte er wissen.
»Einen sehr
interessanten Namen.«
»Spann uns
nicht auf die Folter«, sagte Jana.
Florian holte tief Luft. »Susan Gayle. Ich habe
den Namen Susan Gayle entdeckt.«
Nachdem Eddie aufgebrochen war,
standen Florian und Jana noch eine Weile an die Terrassenbrüstung gelehnt und betrachteten
den Mond, der als orangerote Scheibe am Himmel stand und märchenhaft riesig wirkte.
»So nah
…«, sagte Jana. »Als könne man ihn mit den Händen greifen.«
Von der
Straße klang das heisere Gebell eines Hundes zu ihnen herauf.
»Ich habe
die
Weitere Kostenlose Bücher