Zirkus Mortale: Kriminalroman (German Edition)
sei das stille Einvernehmen der
Frauen Ausdruck vieler gemeinsam verbrachter Stunden. Er überlegte, ob sie Schwestern
waren. Sie strahlten eine Vertrautheit aus, die ihn anrührte.
Am Tisch
hinter ihnen saß ein junges Paar, die Stühle hatten sie dicht zusammengeschoben.
Auch sie blickten hinaus. Er hatte den Arm schützend um ihre Schultern gelegt, und
sie schmiegte den Kopf an ihn.
Am dritten
Tisch saß ein Paar in den 50ern. Mit undurchdringlichen Mienen sahen sie aneinander
vorbei, hin zu entgegengesetzten Punkten irgendwo im Raum. Sie machten den Eindruck,
als ob sie gerade gestritten hätten, und Florian registrierte eine Bitterkeit in
ihren Mienen, die sich über Jahre dort eingemeißelt zu haben schien.
Rasch steuerte
er auf die Theke zu und schob Jana einen Hocker hin.
»Apfelschorle?«
Sie nickte,
auch er entschied sich für die Apfelsaftschorle, und eilfertig nahm der Kellner
die Bestellung auf. Nachdem er die Gläser vor sie hingestellt hatte, begann er mangels
weiterer Bestellungen das stählerne Spülbecken zu polieren und leutselig das Unwetter
zu kommentieren. Die Regentropfen prasselten ohrenbetäubend laut gegen die Scheiben.
»Vor ein
paar Wochen hat es da drüben ein paar Bäume entwurzelt«, sagte er und deutete mit
dem Zeigefinger Richtung Parkplatz. »Zwei Autos, die dort standen, sind durch herabstürzende
Äste ziemlich verbeult worden.«
Florian
sah geradeaus, ohne dem Mann weiter Beachtung zu schenken, denn die Tür von der
Toilette zum Gastraum hatte sich geöffnet. Darin stand Hamacher, braun gebrannt.
An der Leine hielt er seinen Hund, was Florian irritierte. Nahm er das Tier überall
mit hin?
Grüßend
kam der Rentner auf ihn und Jana zu, dann hievte er sich etwas schwerfällig auf
den Barhocker, den Florian mit einer einladenden Geste herbeigezogen hatte.
»Sie sehen
blendend aus.« Florian stellte den Rentner und Jana einander vor. »Gut erholt, ich
könnte direkt neidisch werden.«
»Das liegt
an der türkischen Sonne«, sagte Hamacher und fügte hinzu: »… und an den netten Leuten
in Alanya. Sie glauben ja nicht, wie freundlich die Türken sind.«
»Nicht nur
die Türken, oder?« Florian dachte an die Andeutungen auf der Ansichtskarte. Er hatte
den Eindruck, als sei der Mann um Jahre verjüngt.
»Ja, Sie
haben recht … und das in meinem Alter …« Mit einem Seitenblick auf Jana, der ihn
davon überzeugte, dass er bedenkenlos fortfahren könne, erklärte er: »Sie heißt
Gerda. Es scheint, als habe sie mir neues Leben eingehaucht. Nach dem Tod meiner
Frau war ich doch recht einsam …«
Florian
und Jana sahen ihn voller Empathie an.
»Das Beste
aber ist, dass sie aus Köln stammt, ein echtes Kölsches Mädche, undsie
wohnt gar nicht weit von mir.« Der Rentner lächelte versonnen vor sich hin, dann
sagte er: »Nur dem Raki habe ich nicht so ganz getraut …«
Als er eine
Pause machte, ergriff Florian die Gelegenheit: »Auf Ihrer Karte schrieben Sie, dass
Sie mir noch etwas Wichtiges mitteilen wollten?«
Der alte
Mann nickte, doch er warf Jana einen unsicheren Blick zu.
»Machen
Sie sich keine Sorgen«, sagte Florian schnell und fügte hinzu: »Alles, was wir besprechen,
bleibt unter uns.« Ein schneller Blick auf sein Handy offenbarte ihm, dass Sylvia
Gerlach sich immer noch nicht gemeldet hatte.
»Ich wollte
Ihnen nur sagen, dass sich in der Handtasche der Toten außer dem Portemonnaie auch
ein Handy befand.«
Florian
starrte ihn mit aufgerissenen Augen entgeistert an. »Das haben Sie ebenfalls an
sich genommen?«
Hamacher
sah auf einmal sehr schuldbewusst aus.
»Aber wieso
konnte die Kripo es dann nicht orten?«, fragte Jana und gab sogleich selbst die
Erklärung: »Weil Sie in der Türkei waren! Vermutlich zu weit weg für die deutschen
Ortungssysteme …«
»Nein. Ich
habe die SIM-Karte aus dem Handy entfernt und bei mir zu Hause die Toilette hinunter
gespült«, erklärte der Rentner. Um Verständnis bittend sagte er: »Als ich das ultramoderne
Gerät einige Meter von der Leiche entfernt unter einem Busch auf dem Boden liegen
sah, so ein Ding, das alles kann, wissen Sie, da konnte ich nicht widerstehen. Mein
eigenes war völlig veraltet, so etwas Topmodernes und technisch Fortschrittliches
hätte ich mir nie leisten können.« Er überlegte einen Moment, dann zog er das Handy
aus der Tasche und legte es auf die Theke. »Wenn Sie meinen, dass ich es tun sollte,
werde ich es jetzt der Polizei übergeben.«
Florian
und Jana tauschten einen langen
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