Zirkus zur dreizehnten Stunde
sanften Blick. Alles war …
Er sah zurück! Ein Lächeln. Faith erschrak, wandte den Blick schnell von ihm ab, griff nach etwas, das vor ihr lag, und reichte es dem nächsten Kunden. Sie bemerkte den verwirrten Blick ihres neuen Kunden gar nicht, bis Sina sie erneut in die Seite kniff.
„Ich wollte eigentlich –“, begann der Kunde, wurde jedoch sofort von ihr unterbrochen.
„Geschenk des Hauses, Sie sind heute unser hundertster Kunde.“ Faith lächelte verlegen und zwinkerte nervös. Der Mann zuckte die Schultern und nahm sein Geschenk mit.
„Was ist nur los mit dir?“, wollte Sina wissen.
„Ich war … abgelenkt.“ Faith versuchte die Kunden wieder konzentrierter zu betreuen. Ihr Blick ging jedoch immer wieder in die Menge und folgte Aarons Gestalt, bis er hinter einer Kurve verschwand.
Die Zeit schien von da an dahinzuschleichen. Es kribbelte und zwickte in ihrem ganzen Körper. Aaron war hier! Wegen ihr? Es war doch möglich. Nur wegen ihr! Er wollte sie vielleicht wiedersehen? Oder bildete sie sich das nur ein?
Nein, er hatte gesagt, dass sie sich vielleicht wiedersehen würden – in ihrem Zirkus! Und nun war er hier!
Als ihre Ablöse auftauchte, fegte Faith aus dem Stand. Die gerade ankommende Kate konnte ihr nur noch mit knapper Not ausweichen.
Er war vielleicht noch hier. Wenn dem so war, dann war das möglicherweise ein Beweis. Sie musste es einfach wissen.
Faith lief immer wieder über den Markt und sah sich um. Sie fand ihn nicht! Vielleicht war er doch schon gegangen? Vielleicht wollte er gar nicht auf sie warten? Kurz beschleunigte sich ihr Atem.
Wo könnte er nur …
Sie stockte. Vor ihr tat sich das gewaltige Zelt am Ende der Gasse auf.
Die Vorstellung! Natürlich! Wo sollte er auch sonst hin?
Sie beschleunigte ihre Schritte. Gerade erreichte sie die Schlange vor dem Eingang, da sah sie seine Gestalt darin verschwinden. Er war noch da!
Schnell ging sie zum Eingang der Schausteller und sicherte sich einen Platz hinter dem Manegeeingang. Ihr Blick schweifte über die Sitzreihen, in denen die Besucher sich gerade noch drängten. Es war schwer etwas zu erkennen, aber nicht unmöglich. Sie suchte systematisch alle Reihen ab und fand Aaron schließlich in einer der hinteren.
Er war hier …
Ihr Geist wiederholte dies wie ein Mantra.
Die Auftaktmusik brach los und das Murmeln verstummte. Das Licht wurde in die Mitte gerichtet und noch einmal gelöscht. Dunkelheit und Stille hüllte alles ein. Schlagartig ging die Beleuchtung wieder an und ein einzelner Paukenschlag schien das komplette Zelt zum Erzittern zu bringen.
Maurice erschien mit Tosen und Paukenschlägen in der Manege. Die Kleidung auffällig, prunkvoll, mit Gold bestickt. Alles an ihm leuchtete, als wäre seine Aura sichtbar. Ein großer Hut und ein Umhang, der ihm weit über den Rücken fiel, unterstrichen seinen Auftritt. Der Kopf war leicht gesenkt. Dann, mit einem Ruck, riss er beide Arme in die Höhe und zog den Hut ab. Seine Zähne funkelten im Licht.
„Ladies und Gentlemen“, erhob er seine Stimme und ein Raunen ging durch die Reihen. „Sie haben die Tore durchschritten! Die Tore der Ewigkeit!“ Eine kleine Pause folgte und er hielt seine Kopfbedeckung einen Moment vor sich. Eine seiner Hände verschwand darin. Leise Musik erklang, vereinzelte Flötenklänge und das sanfte Rascheln von Rasseln. „Eine Welt voller Magie und Mysterien wird sich Ihnen heute zeigen. Eine Welt, wie Sie sie noch nie gesehen haben. Und …“, er lächelte und schlug kurz die Augen nieder. Die Musik verstummte für einen Augenblick. Er fixierte jeden Einzelnen im Publikum. „… wie Sie sie vielleicht nie wieder sehen werden.“ Die Stimme war leiser geworden und erfüllte trotzdem jeden Winkel des Zeltes. Faith spürte die Gänsehaut, die durch den Saal wanderte. „Ihre Eintrittskarte …“, er riss seine Hand aus dem Hut und warf etwas in die Luft, was sich entfaltete und flügelschlagend über den Zuschauern kreiste. Ein Knall erscholl und es regneten Papierschnipsel auf die Besucher. „… in eine Welt, wo Träume zum Leben erwachen!“ Mit dem letzten Wort spielte das Orchester in voller Lautstärke auf. Mit einer schwungvollen Bewegung setzte er den Hut auf und streifte den Umhang von seinen Schultern. Der Stoff flog durch das Licht und bildete eine schwarze Wolke, die sich immer weiter auszubreiten schien. Maurice warf das Kleidungsstück Richtung Manegeneingang.
Mit einem weiteren Paukenschlag brach die
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