Zirkuskind
gelernt. Er leistete sich häufig eine Limousine,
und einmal, als Danny Mills der Führerschein wegen Trunkenheit am Steuer mehrere
Monate lang entzogen worden war, hatte Harold eine Limousine geschickt, die Martin
Mills in die Schule brachte.
Veras Onkel hingegen,
der Regisseur Gordon Hathaway, war ein alter Raser, dessen Vorliebe für hohe Geschwindigkeiten,
gepaart mit seinen ständig purpurgefärbten (unterschiedlich heftig mit Taubheit
geschlagenen) Ohren, dazu führte, daß ihm in regelmäßigen Abständen der Führerschein
abgenommen wurde. Löschzügen der Feuerwehr, Krankenwagen oder Polizeiautos machte
Gordon aus Prinzip nicht Platz. Da er seine eigene Hupe nicht hören konnte, benutzte
er sie auch nie, und das warnende Getute anderer Fahrzeuge beachtete er grundsätzlich
nicht. Er sollte seinem Schöpfer auf dem Santa Monica Freeway gegenübertreten, wo
er auf einen Kombi voller Surfer auffuhr und auf der Stelle von einem Surfbrett
getötet wurde. Vielleicht flog es vom Dachträger des Kombi oder aus der offenen
Heckklappe – jedenfalls schoß es durch Gordons Windschutzscheibe. Die Folge war
eine Massenkarambolage, die sich in beide Richtungen über vier Spuren erstreckte
und in die acht Autos und ein Motorrad verwickelt waren; doch nur Gordon wurde getötet.
Bestimmt blieben dem Regisseur noch ein paar Sekunden, um den Tod kommen zu sehen,
aber bei seinem Gedenkgottesdienst bemerkte seine berühmte »trübselige Fotze« von
Schwester, Harold Rosens Frau und Veras Mutter, daß Gordons Taubheit ihm zumindest
den Lärm seines eigenen Todes erspart habe. Immerhin, darin waren sich alle einig,
mußte der Zusammenprall von neun Fahrzeugen ein beträchtliches Getöse verursacht
haben.
Trotz alledem überlebte
Martin Mills die qualvollen Fahrten [555] zu seinem gestrafften Unterricht in der Loyola
Marymount University. Was ihm ernstlich zu schaffen machte, waren die diversen Schlafzimmer
mit ihrer verwirrenden Fremdheit. Danny hatte – eine typische Ausverkaufsreaktion
– das Haus in Westwood überstürzt von dem Geld gekauft, das er für einen Vertrag
über drei Drehbücher bekommen hatte. Leider waren die Drehbücher zu dem Zeitpunkt,
als er das Geld kassierte, noch ungeschrieben – keines würde je verfilmt werden.
Dazu kamen, wie stets, weitere Verträge auf der Basis unfertiger Bücher, so daß
Danny nichts anderes übrigblieb, als Westwood zu vermieten. Das deprimierte ihn
natürlich; er trank, um seinen Ekel vor sich selbst zu vernebeln. Die Folge davon
war, daß er in anderer Leute Häusern wohnte, zumeist Häusern von Produzenten, Regisseuren
oder Schauspielern, denen Danny ein fertiges Drehbuch schuldete. Da diese menschenfreundlichen
Seelen weder dieses Schauspiel noch die Gesellschaft des verzweifelten Drehbuchautors
ertragen konnten, räumten sie ihre Häuser und flohen nach New York oder Europa.
Manchmal flüchtete Vera mit ihnen, wie Martin Mills später erfuhr.
Unter solchem Druck
ein Drehbuch schreiben zu müssen, war eine, wie Danny Mills es nannte, »eierzerfetzende«
Tätigkeit – ein uralter Lieblingsausdruck von Gordon Hathaway. Während Martin Mills
in seiner Zelle in St. Ignatius wachlag, mußte er unweigerlich an diese Häuser fremder
Leute denken, bei denen sein schwacher Vater regelmäßig den kürzeren gezogen hatte.
Da war zum Beispiel
dieses Haus in Beverly Hills, das einem Regisseur gehörte. Es lag am Franklin Canyon
Drive, und Danny verscherzte sich das Privileg, dort wohnen zu dürfen, nur wegen
der steilen Auffahrt – so jedenfalls formulierte es Danny. Geschehen war folgendes:
Er kam betrunken nach Hause, stellte das Auto des Regisseurs im Leerlauf (ohne die
Handbremse anzuziehen) ab und ließ das Garagentor offen, so daß der Wagen [556] einen
Grapefruitbaum niedermähte und in den Swimmingpool rollte. Der Schaden wäre nicht
so groß gewesen, hätte Vera nicht eine Affäre mit dem Dienstmädchen des Regisseurs
gehabt, das am nächsten Morgen nackt in den Swimmingpool sprang und sich unter Wasser
an der Windschutzscheibe den Kiefer und ein Schlüsselbein brach. Das passierte just,
während Danny die Polizei anrief, um den Wagen als gestohlen zu melden. Natürlich
verklagte das Dienstmädchen den Regisseur wegen des Autos im Pool. Das Drehbuch,
an dem Danny damals schrieb, wurde nie verfilmt – wieder mal eine Folge dessen,
daß sich Danny die Eier zerfetzt hatte.
Martin Mills hatte
dieses Haus gern gemocht, wenn auch nicht das Dienstmädchen. Rückblickend
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