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Zirkuskind

Zirkuskind

Titel: Zirkuskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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der
Junge auf einer aufgeblasenen Donald-Duck-Matratze herumpaddelte – noch so ein Überbleibsel
der ewig Sechs- und Achtjährigen.
    Obwohl Danny statt
einer Badehose eine lange Hose und ein zerknittertes Frackhemd trug, watete er am
seichten Ende des Pools hin und her und drückte die Seiten seines im Entstehen begriffenen
Drehbuchs an die Brust, damit sie ja nicht naß wurden. Gemeinsam sahen Vater und
Sohn zu, wie die Feuerwehrleute die Katastrophe bewältigten.
    Der beinahe berühmte
Schauspieler, dessen Wohnzimmer ruiniert war, kam erst viel später nach Hause –
nachdem das Feuer gelöscht und die Feuerwehrleute abgezogen waren. [559]  Danny und Martin
Mills spielten noch immer im Swimmingpool.
    »Laß uns hier auf
Mami warten, dann kannst du ihr alles über das Feuer erzählen«, hatte Danny vorgeschlagen.
    »Wo ist Mami?« hatte
Martin gefragt.
    »Fort«, hatte Danny
geantwortet. Sie war mit dem Schauspieler »fort«. Als die beiden zurückkehrten,
hatte Martin den Eindruck, daß sein Vater in gewisser Weise ganz zufrieden war,
daß er das Wohnzimmer in einen schwelenden Trümmerhaufen verwandelt hatte. Das Drehbuch
machte keine großen Fortschritte; es sollte dem Schauspieler die Möglichkeit bieten,
etwas »Aktuelles« zu spielen – die Geschichte handelte von einem jungen Mann und
einer älteren Frau –, »etwas Bittersüßes«, wie der Schauspieler vorgeschlagen hatte.
Vera hoffte auf die Rolle der älteren Frau. Aber auch dieses Drehbuch wurde nie
verfilmt, und Martin Mills bedauerte es nicht, diese ewig sechs und acht Jahre alten
Kinder in der South Lorraine Street zu verlassen.
    In seiner kahlen
Zelle in St. Ignatius in Mazgaon suchte der Missionar jetzt sein Exemplar des Katholischen Taschenkatechismus, weil er hoffte, daß die darin enthaltenen
Glaubensgrundlagen ihn vielleicht davor bewahren könnten, sämtliche kalifornischen
Schlafzimmer, in denen er je genächtigt hatte, nochmals Revue passieren zu lassen.
Aber er konnte das tröstliche Taschenbüchlein nicht finden; wahrscheinlich hatte
er es auf Dr. Daruwallas Glastisch liegenlassen – das hatte er tatsächlich, und
Dr. Daruwalla hatte es bereits gute Dienste geleistet. Der Doktor hatte den Abschnitt
über die letzte Ölung, das Sakrament der Krankensalbung, durchgelesen, weil dieses
Thema recht gut in das neue Drehbuch paßte, das er unbedingt bald in Angriff nehmen
wollte. Auch eine Passage über die Kreuzigung hatte er überflogen, weil er hoffte,
sie vielleicht irgendwo unterbringen zu können. Der Doktor konnte es kaum erwarten
loszulegen, und die frühen Abendstunden zogen sich für ihn endlos hin, [560]  weil er
so voller Tatendrang war. Hätte Martin Mills gewußt, daß Dr. Daruwalla drauf und
dran war, ihn als Figur in einer romantischen Komödie auferstehen zu lassen, wäre
dem unglücklichen Missionar die Ablenkung, die die Erinnerungen an seine unstete
Kindheit in Los Angeles darstellte, womöglich willkommen gewesen.
    Sie hatten noch
in einem anderen Haus in L. A. gewohnt, in der Kings Road, das Martin vorsichtig
liebgewonnen hatte. Dort gab es einen Fischteich, und der Produzent, dem es gehörte,
hielt seltene Vögel, für die unglücklicherweise Danny verantwortlich war, solange
er dort logierte und schrieb. Am allerersten Tag hatte Martin festgestellt, daß
die Fenster keine Fliegengitter hatten und die seltenen Vögel nicht in Käfige eingesperrt,
sondern an ihre Stangen gekettet waren. Eines Abends, während einer Dinnerparty,
kam ein Bussard ins Haus geflogen – und dann noch einer –, und zur heftigen Bestürzung
der versammelten Gäste fielen die seltenen Vögel den eingedrungenen Raubvögeln zum
Opfer. Während die seltenen Vögel kreischend ihr Leben aushauchten, war Danny so
betrunken, daß er um jeden Preis seine Version der Geschichte, wie man ihn in Venice
mit Gewalt aus seiner geliebten Doppelhaushälfte mit Strandblick vertrieben hatte,
zu Ende erzählen wollte. Bei dieser Geschichte traten Martin jedesmal Tränen in
die Augen, weil sie vom Tod seines einzigen Hundes handelte. Unterdessen stießen
die Bussarde herab und töteten; und die Gäste – anfangs nur die Frauen – duckten
sich unter den Eßtisch. Danny erzählte einfach weiter.
    Dem jungen Martin
war es noch nicht in den Sinn gekommen, daß der mißliche Verlauf, den die Karriere
seines Vaters als Drehbuchautor nahm, irgendwann darauf hinauslaufen würde, daß
sie in billige Behausungen umziehen mußten. Obwohl das im Vergleich zu dem

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