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Zirkuskind

Zirkuskind

Titel: Zirkuskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Bemühungen um die
Klinik für Verkrüppelte Kinder hin, doch andere führten ins Feld, daß die Inspector-Dhar-Filme
ganz Bombay schadeten. Verständlicherweise gab es keine Möglichkeit, die Gerüchte
oder Beschwerden, die in dem altehrwürdigen Club über dieses Thema zirkulierten,
zu unterdrücken.
    Dr. Daruwalla beginnt an sich
zu zweifeln
    Es gab
auch keine Möglichkeit, die aufregende Neuigkeit von dem toten Golfspieler in den
Bougainvilleen beim neunten Green geheimzuhalten. Getreu seiner Filmrolle hatte
Inspector Dhar die Leiche entdeckt. Zweifellos würde die Presse erwarten, daß er
das Verbrechen auch aufklärte. Freilich sah es nicht so aus, als liege ein Verbrechen
vor, obwohl unter den Duckworthianern gemunkelt wurde, daß Mr. Lals exzessives Golfspiel
an sich schon ein Verbrechen war. Auf jeden Fall waren dem alten Gentleman seine
strapaziösen Bemühungen in den ruinierten Bougainvilleen schlecht bekommen. Die
Geier hatten alle deutlichen Spuren verwischt, aber es sah ganz so aus, als wäre
Mr. Lal seinem eigenen Chip zum Opfer gefallen. Mr. Lals jahrzehntelanger Golfpartner,
Mr. Bannerjee, gestand Dr. Daruwalla, er käme sich vor, als hätte er seinen Freund
eigenhändig umgebracht.
    »Beim neunten Loch
hat es ihn jedesmal erwischt!« rief Mr. Bannerjee. »Ich hätte ihn nicht deshalb
necken dürfen!«
    Dr. Daruwalla mußte
daran denken, daß er Mr. Lal oft auf ähnliche Weise geneckt hatte. Man konnte der
Versuchung einfach nicht widerstehen, sich über den Eifer lustig zu machen, mit
dem der alte Herr einen Sport betrieb, für den er doch so offensichtlich unbegabt
war. Doch jetzt, nachdem er dabei umgekommen war, erschien seine übertriebene Golferei
auf einmal weniger komisch.
    [77]  Farrokh konnte
nicht umhin, eine schwache Parallele zwischen seiner Erfindung des Inspector Dhar
und Mr. Lals Golfspiel zu sehen. Diese unliebsame Verknüpfung drängte sich ihm durch
einen unangenehmen Geruch auf, den er plötzlich wahrnahm; nicht so aufdringlich
wie der Gestank eines Menschen, der in unmittelbarer Nähe seinen Darm entleert,
sondern eher vertrauter und gleichzeitig seltener anzutreffen – in der Sonne verfaulende
Abfälle vielleicht oder verstopfte Abflußrohre. Er erinnerte Farrokh an Topfpflanzen
und menschlichen Urin.
    Auch wenn die Analogie
zwischen Mr. Lals tödlicher Gewohnheit, Golf zu spielen, und Farrokhs Drehbuchschreiberei
weit hergeholt sein mochte, für Farrokh beruhte sie auf dem in beiden Fällen ähnlichen
Mißverhältnis zwischen Aufwand und Ergebnis. Dr. Daruwallas Filmen wurde keinerlei
künstlerischer Wert beigemessen, obwohl er sich mit den Drehbüchern gewaltige Mühe
gab. Die meisten Zuschauer empfanden Inspector Dhars Charakter als roh und primitiv,
und viele fanden ihn geradezu empörend anstößig. Dabei hatte der Doktor die Figur
aus reiner Zuneigung geschaffen; und seine labile Selbstachtung beruhte ebensosehr
auf seinem festbegründeten Ruf als Chirurg wie auf seinem Selbstverständnis als
heimlicher Schriftsteller – und dies, obwohl er nur Drehbuchautor war und damit
zu jener Sorte schamloser, kommerzieller Schreiberlinge gehörte, die sich derart
prostituieren, daß sie für ihre Elaborate nicht einmal ihren Namen hergeben. Da
der Schauspieler, der den Inspector Dhar verkörperte, (in den Augen der Öffentlichkeit)
vollständig in seine Filmrolle geschlüpft war, schrieb man verständlicherweise ihm
die Urheberschaft der Drehbücher zu. Doch das bekümmerte Farrokh keineswegs, denn
für ihn bestand das Hauptvergnügen im Schreiben dieser Bücher. Doch trotz seiner
Freude an dieser Tätigkeit trug sie ihm nur Abscheu und Spott ein.
    In letzter Zeit
hatte Dr. Daruwalla angesichts einiger [78]  Morddrohungen, die Inspector Dhar erhalten
hatte, sogar öfter erwogen, sich aus dem Geschäft zurückzuziehen, und sich vorgenommen,
bei Dhar einmal auf den Busch zu klopfen. Wenn ich aufhöre, hatte Farrokh überlegt,
was wird Dhar dann machen? Und was mache ich dann? hatte er sich ebenfalls gefragt,
denn er ahnte schon lange, daß Dhar gar nichts dagegen hätte, seine Rolle an den
Nagel zu hängen – zumal jetzt. Die Beschimpfungen der ›Times of India‹ hinnehmen
zu müssen war eine Sache, Morddrohungen waren etwas ganz anderes.
    Und nun diese weit
hergeholte Assoziation mit Mr. Lals Golfspiel, dieser untrügliche Gestank nach fauligen
Abfällen, dieser uralte Geruch verstopfter Abflußrohre – oder hatte vielleicht jemand
in die Bougainvilleen gepinkelt? Eine

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