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Zirkuskind

Zirkuskind

Titel: Zirkuskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Fuß,
auf den der Elefant getreten war, wurde noch immer von der Socke verhüllt, die bereits
graubraun war und Mr. Sethna nicht darüber hinwegtäuschen konnte, daß der darin
steckende Fuß eigentümlich flachgedrückt war – der Junge war auf der Ferse gehumpelt.
Am Ballen war die Socke noch weitgehend weiß.
    Auch mit dem Mädchen
stimmte etwas nicht, fand Mr. Sethna, sie hatte ein so laszives Lächeln. Außerdem
war sie bestimmt noch nie in einem Restaurant gewesen – sonst hätte sie die Kellner
nicht so unverhohlen angestarrt. Dr. Daruwallas Enkelkinder hätten sich besser benommen,
und obwohl Inspector Dhar gegenüber der Presse erklärt hatte, daß er nur indische
Babys zeugen wolle, hatten diese Kinder keinerlei Ähnlichkeit mit dem berühmten
Schauspieler.
    Dieser sah heute
fürchterlich aus, fand Mr. Sethna, blaß und übernächtigt. Möglicherweise hatte er
vergessen, sich zu schminken. Sein grellbuntes Hemd war abscheulich, auf der Hose
hatte er [722]  Blutflecken, und sein ganzer Körper schien über Nacht verfallen zu sein
– sicher litt er an akuter Diarrhöe. Wie sonst wäre es möglich, an einem Tag sieben
oder acht Kilo abzunehmen? Außerdem hatten ihm Straßenräuber den Kopf geschoren,
oder gingen ihm etwa die Haare aus? Nach reiflicher Überlegung gelangte Mr. Sethna
zu der Vermutung, daß Dhar das Opfer einer Geschlechtskrankheit war. Kein Wunder
bei einer Kultur, die so auf den Hund gekommen war, daß Schauspieler wie Halbgötter
verehrt wurden; da mußte man mit solchen Krankheiten rechnen. Das wird den Scheißkerl
wieder auf den Boden bringen, dachte Mr. Sethna. Wer weiß, vielleicht hatte Inspector
Dhar Aids! Der alte Butler geriet in arge Versuchung, einen anonymen Anruf beim
›Stardust‹ oder beim ›Cineblitz‹ zu machen, die sich sicher ganz begeistert auf
ein solches Gerücht stürzen würden.
    »Ich würde ihn nicht
heiraten, und wenn ihm das Halsband der Königin gehören und er mir die Hälfte davon
anbieten würde!« tönte Mrs. Kohinoors unverheiratete Schwester. »Ich würde ihn nicht
einmal dann heiraten, wenn er mir ganz London zu Füßen legen würde!«
    Wenn du in London
säßest, könnte ich dich bis hierher hören, dachte Dr. Daruwalla, während er in seiner
Brachsenmakrele herumstocherte. Der Fisch war im Duckworth Club regelmäßig zerkocht,
so daß Farrokh sich fragte, warum er ihn bestellt hatte. Voller Neid beobachtete
er, wie sich Martin Mills auf seine Fleischspieße stürzte. Immer wieder fielen ihm
einzelne Fleischstücke aus der Brottasche, da der Missionar die Spieße herausgezogen
und versucht hatte, aus dem ganzen ein Sandwich zu machen. Seine Hände waren voller
Zwiebelwürfel, und zwischen seinen oberen Schneidezähnen hing ein dunkelgrünes Stück
Minzblatt. Um dem Jesuiten auf höfliche Weise nahezulegen, einmal in den Spiegel
zu schauen, sagte Farrokh: »Vielleicht möchten Sie hier die Herrentoilette aufsuchen,
Martin. Sie ist angenehmer als die Örtlichkeiten am Flugplatz.«
    [723]  Während des Essens
sah Dr. Daruwalla immer wieder auf die Uhr, obwohl Vinod wiederholt bei der Indian
Airlines angerufen hatte und prophezeite, daß das Flugzeug frühestens am Spätnachmittag
abfliegen würde. Sie waren also nicht in Eile. Der Doktor hatte in seiner Klinikpraxis
angerufen, erfuhr aber lediglich, daß nichts von Bedeutung vorgefallen war. Es war
nur ein Anruf für ihn gekommen, und Ranjit hatte die Angelegenheit kompetent erledigt.
Mr. Garg hatte sich nach der Postanschrift des Great Blue Nile Circus in Junagadh
erkundigt. Er hatte Ranjit erzählt, er wolle Madhu einen Brief schreiben. Eigenartig
war es schon, daß Mr. Garg nicht Vinod oder Deepa nach der Adresse gefragt hatte,
denn schließlich hatte der Doktor sie von der Frau des Zwergs bekommen. Noch eigenartiger
war, daß sich Garg einbildete, Madhu könnte einen Brief oder auch eine Postkarte
lesen. Madhu konnte überhaupt nicht lesen. Aber der Doktor nahm an, daß Mr. Garg
in Hochstimmung war, nachdem er erfahren hatte, daß Madhu nicht HIV -positiv war. Vielleicht wollte der
widerliche Kerl dem armen Kind ja ein Dankesbriefchen schicken oder ihm einfach
nur alles Gute wünschen.
    Außer Martin Mills
direkt darauf aufmerksam zu machen, daß er ein Minzblatt zwischen den Zähnen hatte,
gab es offenbar keine Möglichkeit, ihn zu einem Besuch der Herrentoilette zu bewegen.
Dafür begab sich der Scholastiker mit den Kindern ins Kartenzimmer, wo er vergeblich
versuchte, ihnen »Crazy Eight«

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