Zirkuskind
»freischaffend« zu sein, was bedeutete, daß er
bei keinem Studio unter Vertrag stand. Das lag jedoch daran, daß man ihn dort für
unzuverlässig hielt – nicht nur, weil er trank, sondern weil er als Einzelgänger
galt. Danny war nicht bereit, in einem Team zu arbeiten, und ganz besonders rechthaberisch
wurde er bei Drehbüchern, die bereits das kreative Genie von einem halben Dutzend
und mehr Autoren verschlissen hatten. Obwohl es Danny sichtlich deprimierte, die
gewünschten Überarbeitungen vorzunehmen, die Gordon Hathaways nächtlichen Launen
entsprangen, war dies zumindest eine der wenigen Geschichten, die auf seinem eigenen
Mist gewachsen waren. Deshalb fand Gordon Hathaway auch, daß Danny keinen Grund
hatte, sich zu beklagen.
Schließlich war
es ja nicht so, als hätte Danny auch nur ein Wort zu Tote schlafen fest oder gar zu Cobra Woman beigetragen oder an Die Frau, von
der man spricht oder Hot
Cargo mitgewirkt;
er hatte weder Cocktail für eine Leiche noch Das Haus der Lady Alquist geschrieben – und er hatte weder bei Son of Dracula ein Komma hinzugefügt, noch aus Frisco
Sal eines herausgestrichen –, und obwohl man ihn eine Weile für den nicht genannten Drehbuchautor von When Strangers
Marry hielt,
erwies sich diese Ehre als ungerechtfertigt. In Hollywood hatte er einfach nicht
zur ersten Garnitur gehört. Dort war man allgemein der Ansicht, daß mit »Zusatzdialogen«
der Gipfel seines Könnens erreicht war, und folglich hatte er, als er nach Bombay
kam, mehr Erfahrung darin, anderer Leute Gestümper ins reine zu bringen und glattzubügeln,
als selbst welches zu fabrizieren. Zweifellos verletzte es Danny, daß Gordon ihn
nie als »Autor« bezeichnete. Gordon nannte Danny »den Bügler«, doch gerechterweise
muß man sagen, daß es bei Eines Tages fahren wir nach Indien, Liebling mehr auszubügeln gab, nachdem Hathaway
damit angefangen hatte, das Drehbuch zu verändern.
[150] Danny hatte den
Film als Liebesgeschichte mit einem besonderen Dreh konzipiert; der »Dreh« war die
todgeweihte Frau. Im ursprünglichen Drehbuch geht das Paar – die Frau ist dem Tode
nah – einem Schlangenguru auf den Leim, und ein echter Guru rettet sie aus den Fängen
dieses Scharlatans und seiner teuflischen Schar von Schlangenanbetern. Statt so
zu tun, als könnte er die Frau heilen, bringt ihr der echte Guru bei, wie man in
Würde stirbt. Nach Ansicht des spießigen Produzenten, oder vielmehr seiner Frau
– Gordon Hathaways stets dazwischenfunkender »trübseliger Fotze« von Schwester –
fehlte es diesem letzten Teil eindeutig an Spannung und Action.
»Obwohl die Frau
jetzt glücklich ist, muß sie verrecken, oder?« sagte Gordon.
Folglich veränderte
Gordon Hathaway die Geschichte gegen den Willen von Danny Mills, der dafür ein etwas
besseres Gespür hatte. Gordon fand den Schlangenguru nicht schurkisch genug; also
wurde die Episode mit den Schlangenanbetern überarbeitet. Jetzt kidnappte der Schlangenguru
die Frau. Er entführt sie aus dem Hotel und hält sie in seinem Harem gefangen, wo
er sie unter Drogen setzt und ihr eine Meditationstechnik beibringt, die auf Sex
hinausläuft – entweder mit den Schlangen oder mit ihm. In diesem Ashram herrschten
ohne Zweifel üble Zustände. Der Mann, außer sich vor Sorge, spürt zusammen mit einem
jesuitischen Missionar – nicht unbedingt ein geschickter Ersatz für den echten Guru
– seine Frau auf und rettet sie vor einem vermutlich schlimmeren Schicksal als dem
ihr bevorstehenden Krebstod. Die todgeweihte Frau wendet sich schließlich dem Christentum
zu und – kein Wunder! – stirbt am Ende doch nicht.
Gordon Hathaway
erklärte das dem überraschten Lowji Daruwalla so: »Der Krebs geht einfach irgendwie
weg. Er trocknet einfach irgendwie aus und verschwindet. So was passiert doch manchmal,
oder?«
[151] »Na ja, ›austrocknen‹
tut er nicht gerade, aber es gibt Fälle von Remission«, antwortete Dr. Daruwalla
senior unsicher, während sich Farrokh und Meher ungeheuer für ihn genierten.
»Was ist das denn?«
fragte Gordon Hathaway. Er wußte schon, was eine Remission war, hatte den Doktor
nur akustisch nicht verstanden, weil seine Ohren mit dem Fungus und blauvioletter
Watte verstopft waren.
»Ja! Manchmal kann
ein Krebs so was wie weggehen!« schrie der alte Lowji.
»Genau, das habe
ich mir auch gedacht. Ich hab’s doch geahnt!« sagte Gordon Hathaway.
Farrokh, dem das
Verhalten seines Vaters peinlich war, versuchte das Gespräch gezielt auf
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