Zirkuskind
Farrokh das arrogante Profil des Regisseurs
zu sehen und erhielt einen ausgesprochen erschreckenden Einblick in dessen dauerhaft
dunkelviolett gefärbten Gehörgang. Eigentlich wies das Ohr ein ganzes Farbspektrum
auf, das von Blutrot bis Violett reichte, so unpassend schillernd wie die Kehrseite
eines Mandrills.
Später, nachdem
der farbenprächtige Regisseur ins Taj Mahal zurückgekehrt war – vermutlich, um wieder
Essen in seiner [154] Badewanne zu waschen, bevor er sich ins Bett begab –, mußte Farrokh
mit ansehen, wie sein Vater um den betrunkenen Danny Mills herumscharwenzelte.
»Es muß schwierig
sein, ein Drehbuch unter solchen Umständen umzuschreiben«, begann Lowji zaghaft.
»Sie meinen, nachts?
Beim Essen? Nachdem ich getrunken habe?« fragte Danny.
»Ich meine, so auf
Knopfdruck«, sagte Lowji. »Es wäre doch eigentlich klüger, die Geschichte abzudrehen,
die Sie bereits geschrieben haben.«
»Ja, sicher«, gab ihm der arme Danny recht. »Aber so läuft das nie.«
»Filmleute sind
vermutlich sehr spontan«, meinte Lowji.
»Sie halten das
Drehbuch nicht für sonderlich wichtig«, sagte Danny Mills.
»Wirklich nicht?«
rief Lowji.
»Grundsätzlich nicht«,
erklärte ihm Danny. Der arme Lowji hatte nie darüber nachgedacht, wie unwichtig
der Autor eines Films war. Selbst Farrokh betrachtete Danny Mills voller Mitgefühl.
Er war ein liebenswürdiger, sentimentaler Mensch mit freundlichen Umgangsformen
und einem Gesicht, das die Frauen mochten – bis sie ihn besser kannten. Dann bemängelten
sie seine ausgeprägte Schwäche oder nutzten sie aus. Natürlich hatte er ein Alkoholproblem,
aber daß er trank, war eher ein Symptom seines Versagens als dessen Ursache. Er
war ständig pleite, was zur Folge hatte, daß er selten ein Drehbuch fertigschrieb
und es dann aus einer starken Position heraus verkaufte. Normalerweise verkaufte
er nur die Idee für ein Drehbuch oder eine recht fragmentarische und kaum ausgearbeitete
Geschichte und verlor infolgedessen jeglichen Einfluß auf das Endprodukt.
Er schrieb auch
nie einen Roman zu Ende, obwohl er mehrere angefangen hatte. Wenn er Geld brauchte,
legte er den Roman beiseite und schrieb ein Drehbuch – das er verkaufte, [155] bevor
es fertig war. Es lief immer nach demselben Schema ab. Wenn er sich dann wieder
dem Roman zuwandte, hatte er genügend Abstand, um zu erkennen, wie schlecht er war.
Aber Farrokh konnte
Danny nicht so unsympathisch finden wie den Regisseur Gordon Hathaway; und er merkte,
daß Danny seinen Vater mochte. Außerdem versuchte der Drehbuchautor Farrokhs Vater
davor zu bewahren, sich weiterhin zu blamieren.
»Das funktioniert
so«, erklärte Danny dem alten Lowji. Er schwenkte die schmelzenden Eiswürfel auf
dem Boden seines Glases; in der glühenden Hitze vor der Regenzeit schmolz das Eis
schnell – aber nie so schnell, wie Danny seinen Gin trank.
»Wenn du was verkaufst,
bevor es fertig ist, setzen sie dich unter Druck«, erklärte Danny Mills dem alten
Daruwalla. »Du darfst keiner Menschenseele zeigen, was du schreibst, bevor es fertig
ist. Schreib einfach dein Buch. Und wenn du überzeugt bist, daß es gut ist, dann
zeig es jemandem, der einen Film gemacht hat, der dir gefällt.«
»Zum Beispiel einem
Regisseur, meinen Sie?« fragte Lowji, der sich alles genau notierte.
»Unbedingt einem
Regisseur«, sagte Danny Mills. »Keinem Filmstudio.«
»Man zeigt es also
jemandem, den man mag, einem Regisseur, und danach wird man bezahlt?« fragte der
alte Daruwalla.
»Nein«, sagte Danny
Mills. »Man nimmt kein Geld, bis die ganze Chose unter Dach und Fach ist. In dem
Augenblick, in dem man Geld annimmt, wird man unter Druck gesetzt.«
»Aber wann nimmt
man denn das Geld?« fragte Lowji.
»Wenn die Schauspieler
unter Vertrag sind, die man haben möchte, wenn der richtige Regisseur unter Vertrag
ist – und wenn ihm die letzte Entscheidung über den Schnitt überlassen worden ist.
Wenn das Drehbuch allen so gut gefällt, dann weiß man, daß sie es nicht wagen würden,
auch nur ein Wort dran zu [156] ändern – und wenn man daran zweifelt, behält man sich
die Entscheidung über die endgültige Drehbuchfassung vor. Und dann kann man sich
zurückziehen.«
»So machen Sie das
also?« fragte Lowji.
»Ich nicht«, sagte
Danny. »Ich nehme das Geld gleich zu Anfang, soviel ich kriegen kann. Und dann setzen
sie mich unter Druck.«
»Aber wer macht
es dann so, wie Sie vorgeschlagen haben?« wollte Lowji wissen. Er war so
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