Zirkuskind
sollte nichts werden. Der Film, unter widrigsten Umständen abgedreht, gelangte
nie in die Kinos. Hathaway hatte die Nase voll von »anspruchsvollen« Filmen und
kehrte mit mäßigen Rachgelüsten, und noch mäßigerem Erfolg, zu seinen Detektivfilmen
zurück. In den sechziger Jahren tat er den Schritt nach unten zum Fernsehen, wo
er das unauffällige Ende seiner beruflichen Laufbahn abwartete.
Nur wenige Facetten
von Gordon Hathaways Persönlichkeit waren einmalig. Er sprach alle Schauspieler
und Schauspielerinnen mit Vornamen an, selbst solche, die er noch nicht kannte,
was auf die meisten zutraf; und wenn er sich verabschiedete, küßte er Männer wie
Frauen schmatzend auf beide Wangen, auch wenn er sie erst ein- oder zweimal gesehen
hatte. Er heiratete viermal, zeugte in seiner Geilheit in jeder Ehe Kinder, die
bereits vor der Pubertät über ihn herzogen. In allen Fällen fiel Gordon, keineswegs
überraschend, die Rolle des Bösewichts zu, während die vier Mütter (seine Exfrauen)
in höchstem Maß kompromittiert, aber glorreich aus der Sache hervorgingen. Hathaway
meinte, er habe das Pech gehabt, nur Töchter zu zeugen. Söhne hätten bestimmt seine [145] Partei ergriffen – »wenigstens in einem der vier beschissenen Fälle«, um ihn
zu zitieren.
In puncto Kleidung
war er ein bißchen exzentrisch. Je älter er wurde – und je bereitwilliger er sich
als Regisseur auf Kompromisse einließ –, um so ausgefallener kleidete er sich, als
bestünde seine schöpferische Tätigkeit vorwiegend in der Zusammenstellung seiner
Garderobe. Manchmal trug er eine Damenbluse, bis zur Taille aufgeknöpft, und band
sich die Haare zu einem langen, weißen Pferdeschwanz zusammen, der sein Markenzeichen
wurde. Bei seinen zahlreichen Filmen und Fernsehkrimis ließ sich leider keine so
durchgehende Handschrift erkennen. Dafür zog er regelmäßig über die »Anzüge« her
– so nannte er die Produzenten –, »diese beschissenen Typen mit ihrer dreiteiligen
Gesinnung«, die »sämtliche Talente Hollywoods in ihrem beschissenen Würgegriff«
hatten.
Dieser Vorwurf war
insofern sonderbar, als Gordon Hathaway lange Zeit und in bescheidenem Maß erfolgreich
mit ebendiesen »Anzügen« gemeinsame Sache gemacht hatte. In Wirklichkeit mochten
ihn die Produzenten ausgesprochen gern. Aber nichts von alledem ist originell oder
auch nur erinnernswert.
In Bombay jedoch
trat Gordon Hathaways einziges wirklich besonderes Charaktermerkmal zutage: Er hatte
eine Heidenangst vor dem indischen Essen – und führte sich in seiner Hysterie ständig
alle Krankheiten vor Augen, die seinen Verdauungstrakt garantiert zugrunde richten
würden –, weshalb er auch nur Sachen aß, die ihm aufs Zimmer serviert wurden und
die er zuvor eigenhändig in der Badewanne wusch. Das Hotel Taj Mahal war ein solches
Verhalten bei Ausländern durchaus gewöhnt, doch diese höchst einseitige Kost bescherte
Hathaway eine schwere Verstopfung und schließlich Hämorrhoiden.
Dazu kam, daß das
heiße, feuchte Wetter in Bombay seine chronische Neigung zu Pilzerkrankungen aktiviert
hatte. [146] Hathaway stopfte sich Wattebällchen zwischen die Zehen – Dr. Lowji Daruwalla
hatte noch nie einen derart hartnäckigen Fußpilz zu Gesicht bekommen –, und in seinen
Ohren hatte sich ein Fungus eingenistet, eine schwammige Geschwulst, die so wenig
aufzuhalten war wie Brotschimmel. Der alte Lowji war überzeugt, daß der Regisseur
ein idealer Nährboden für eine ganze Champignonzucht wäre. Gordon Hathaways Ohren
juckten so, daß es ihn schier wahnsinnig machte, und sein Hörvermögen war durch
den Fungus und die Ohrentropfen – von den Wattebällchen, die er sich in die Ohren
stopfte, ganz zu schweigen – so beeinträchtigt, daß die Verständigung am Drehort
vor lauter Mißverständnissen zur Farce wurde.
Bei den Ohrentropfen
handelte es sich um eine enzian- bis violettblaue Tinktur, die einen wasserfesten
und daher nicht auswaschbaren Farbstoff enthielt. Folglich waren die Krägen und
Schulterpartien von Hathaways Hemden mit violetten Flecken übersät, weil ihm die
Wattebällchen immer wieder aus den Ohren fielen – oder weil er sie, frustriert über
seine Taubheit, selbst herauszupfte. Der Regisseur hatte die Angewohnheit, Abfälle
einfach fallen zu lassen, und seine violetten Ohrstöpsel hinterließen auf Schritt
und Tritt Spuren. Manchmal blieben von der violetten Tinktur Streifen in seinem
Gesicht zurück, so daß er aussah, als hätte er sich absichtlich
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