Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zirkuskind

Zirkuskind

Titel: Zirkuskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
Vom Netzwerk:
durcheinander,
daß er aufgehört hatte mitzuschreiben.
    »Niemand, den ich
kenne«, sagte Danny Mills. »Alle, die ich kenne, werden unter Druck gesetzt.«
    »Dann sind Sie also
nicht zu Gordon Hathaway gegangen. Sie haben ihn sich nicht ausgesucht?« fragte
Lowji.
    »Nur ein Filmstudio
würde sich Gordon aussuchen«, sagte Danny.
    Er hatte diese irritierend
glatte Gesichtshaut, die man häufig bei Alkoholikern antrifft. Dannys Babygesicht
sah aus, als wäre es das unmittelbare Ergebnis eines Konservierungsprozesses – als
hätte sich sein Bartwuchs ebenso verlangsamt wie seine Sprechweise. Danny sah aus,
als bräuchte er sich nur einmal in der Woche zu rasieren, obwohl er schon fast fünfunddreißig
war.
    »Ich werd Ihnen
mal sagen, wie das mit Gordon ist«, sagte Danny. »Es war Gordons Idee, die Rolle
des Schlangengurus in der Geschichte auszuwalzen. Für Gordon ist ein Ashram voller
Schlangen der Inbegriff des Bösen«, fuhr er fort, als weder Lowji noch Farrokh ihn
unterbrachen. »Ich werd Ihnen mal sagen, wie das mit Gordon ist«, wiederholte Danny.
»Gordon ist noch nie im Leben einem Guru begegnet, egal ob mit oder ohne Schlangen.
Gordon hat noch nie einen Ashram von innen gesehen, nicht mal in Kalifornien.«
    »Es wäre kein Problem,
eine Begegnung mit einem Guru zu [157]  arrangieren«, sagte Lowji. »Es wäre auch kein
Problem, einen Ashram zu besuchen.«
    »Ich bin überzeugt,
daß Sie wissen, was Gordon dazu sagen würde«, meinte der betrunkene Drehbuchautor,
schaute dabei aber Farrokh an.
    Farrokh gab sich
alle Mühe, Gordon Hathaway so gut wie möglich nachzuahmen. »Ich mache einen Scheißfilm«,
sagte Farrokh. »Da hab ich doch keine Zeit, mich mit einem Scheißguru zu treffen
oder mir einen Scheißashram anzuschauen, wenn ich grade mitten in einem Scheißfilm
stecke.«
    »Kluger Junge«,
sagte Danny Mills und zum alten Lowji meinte er vertraulich: »Ihr Sohn versteht
was vom Filmgeschäft.«
    Obwohl Danny Mills
allem Anschein nach ein kaputter Mensch war, fiel es einem schwer, ihn nicht zu
mögen, dachte Farrokh. Dann schaute er in sein Bierglas und erblickte die zwei tiefvioletten
Wattestöpsel aus Gordon Hathaways Ohren. Wie sind die denn in mein Bier gekommen?
wunderte sich Farrokh. Er mußte einen Eislöffel nehmen, um die triefenden Dinger
aus dem Glas zu fischen. Während er die vollgesogenen Wattestöpsel auf einen Untersetzer
legte, überlegte er, wie lange sie schon in seinem Bier herumgeschwommen sein mochten
– und wieviel Bier er inzwischen getrunken hatte. Danny Mills mußte so lachen, daß
er kein Wort herausbrachte. Lowji sah seinem kritischen Sohn an, was er dachte.
    »Sei nicht albern,
Farrokh!« sagte er zu ihm. »Das war sicher ein Versehen.« Darüber mußte Danny Mills
noch mehr lachen, so daß Mr. Sethna an den Tisch geeilt kam – und einen mißbilligenden
Blick auf den Untersetzer mit den biergetränkten, noch immer violetten Wattestöpseln
warf. Farrokhs Bier war ebenfalls violett. In Mr. Sethnas Augen war es zumindest
ein Glück, daß Mrs. Daruwalla bereits nach Hause gegangen war.
    [158]  Farrokh half
seinem Vater, Danny Mills auf den Rücksitz seines Autos zu verfrachten. Danny würde
tief schlafen, bevor sie die Zufahrt des Duckworth Club oder zumindest den Stadtteil
Mahalaxmi hinter sich gelassen hatten. Bis dahin war der Drehbuchautor stets eingeschlafen,
sofern er nicht schon früher aufgebrochen war. Wenn sie ihn im Taj Mahal absetzten,
gab Farrokhs Vater einem der großen Sikh-Portiers jedesmal ein Trinkgeld, damit
er Danny wie ein Gepäckstück in sein Zimmer karrte.
    An diesem Abend
– Farrokh saß auf dem Beifahrersitz, sein Vater hinter dem Steuer und Danny Mills
schlafend auf dem Rücksitz – hatten sie gerade Tardeo erreicht, als Lowji sagte:
»Du tätest gut daran, dir deinen offensichtlichen Widerwillen gegen diese Filmfritzen
nicht so deutlich anmerken zu lassen. Ich weiß, daß du dich für sehr gebildet und
kultiviert hältst und diese Leute für ein mieses Pack, für indiskutabel – aber weißt
du, was wahrhaftig un kultiviert
ist? Wenn du dir deine Einstellung so deutlich vom Gesicht ablesen läßt.«
    Farrokh würde sich
immer an diesen scharfen Verweis erinnern, den er sich sehr zu Herzen nahm, während
er gleichzeitig schweigend dasaß, innerlich kochend vor Wut auf den Vater, der nicht
ganz so dumm war, wie sein Sprößling angenommen hatte. Farrokh würde sich auch deshalb
daran erinnern, weil sich das Auto genau an der Stelle in Tardeo

Weitere Kostenlose Bücher