Zirkuskind
Beinen auf ihm reiten, bis sein Schwanz wund war.
Am nächsten Morgen
litt sie nicht nur an den Folgen ihrer Schlaflosigkeit, sondern ihr war zudem noch
übel. Eine Woche lang war ihr jeden Morgen übel, bis sie endlich Dr. Lowji Daruwalla
konsultierte, dem es, obwohl er Orthopäde war, nicht schwerfiel festzustellen, daß
die Schauspielerin schwanger war.
»Scheiße«, sagte Vera. »Ich dachte, es sei der Scheißcurry.«
Aber nein, es war
die Scheißfickerei. Der Vater war entweder Danny Mills oder Neville Eden. Vera hoffte,
daß es Neville war, weil er besser aussah. Außerdem vertrat sie die Theorie, daß
Dannys Alkoholismus genetisch bedingt sei.
»Lieber Himmel,
es muß Neville sein!« sagte Vera Rose. »Danny ist so mit Alkohol durchtränkt, daß
er wahrscheinlich unfruchtbar ist.«
Dr. Lowji Daruwalla
war verständlicherweise bestürzt über die plumpe Reaktion der reizenden Filmdiva,
die eigentlich keine war und die plötzlich panische Angst bekam, ihr Onkel, der
Regisseur, könnte dahinterkommen, daß sie schwanger war, und sie auf der Stelle
feuern. Der alte Lowji wies Miss Rose darauf hin, daß sie laut Drehplan keine drei
Wochen mehr vor der Kamera zu stehen hatte und daß es noch drei Monate oder länger
dauern würde, bis man ihr die Schwangerschaft allmählich ansah.
[171] Sodann verbiß
sich Miss Rose in die Frage, ob Neville Eden seine Frau verlassen und sie heiraten
würde. Dr. Lowji Daruwalla bezweifelte das, versuchte den Schlag aber durch eine
indirekte Bemerkung abzumildern.
»Ich glaube, daß
Mr. Danny Mills Sie heiraten würde«, bemerkte er taktvoll, aber diese Wahrheit deprimierte
Veronica Rose nur noch mehr, so daß sie zu weinen begann. Weinen war in der Klinik
für Verkrüppelte Kinder nichts so Alltägliches, wie man hätte annehmen können. Dr.
Lowji Daruwalla führte die schluchzende Schauspielerin aus seinem Untersuchungszimmer
und durch den Warteraum, der voller verletzter, verkrüppelter und mißgebildeter
Kinder war. Sie alle betrachteten die weinende, hellhaarige Dame voller Mitleid,
da sie davon ausgingen, daß sie soeben etwas Schreckliches erfahren hatte, was ihr
eigenes Kind betraf. In gewisser Weise stimmte das ja auch.
Ein Slum entsteht
Zunächst
wußte kaum jemand, daß Vera schwanger war. Lowji sagte es Meher, und Meher sagte
es Farrokh. Sonst wußte es niemand, und Lowji gab sich besondere Mühe, es vor seinem
südindischen Arzthelfer und Sekretär – einem hochintelligenten jungen Mann aus Madras
– geheimzuhalten. Er hieß Ranjit und hegte ebenfalls große Hoffnungen, Drehbuchautor
zu werden. Ranjit war nur ein paar Jahre älter als Farrokh; er sprach zwar ein makelloses
Englisch, doch hatten sich seine Schreibkünste bisher auf das Abfassen hervorragender
Krankengeschichten und ausführliche Aktennotizen an Dr. Daruwalla senior beschränkt,
in denen stand, welche soeben erschienenen Artikel er in dessen orthopädischen Fachzeitschriften
gelesen hatte. Diese Aktennotizen schrieb Ranjit nicht, um sich bei dem alten Lowji
einzuschmeicheln, sondern um den vielbeschäftigten Arzt in [172] knapper Form über
das zu informieren, was er möglicherweise gern selbst lesen wollte.
Obwohl Ranjit aus
einer vegetarisch lebenden Brahmanen-Familie stammte, also der höchsten Kaste der
Hindus angehörte, hatte er Lowji im Verlauf des Vorstellungsgesprächs mitgeteilt,
daß er ganz und gar unreligiös sei und das Kastenwesen »weitgehend als ein Mittel
der Unterdrückung« betrachte. Lowji hatte den jungen Mann sofort eingestellt.
Aber das war vor
fünf Jahren gewesen. Obwohl Ranjit Dr. Daruwalla senior rundum zusagte und dieser
sich große Mühe gegeben hatte, den jungen Mann weiter massiv in Richtung Atheismus
zu beeinflussen, erwies es sich für Ranjit als äußerst schwierig, mit Hilfe von
Heiratsanzeigen, die er regelmäßig in der ›Times of India‹ aufgab, eine Braut anzulocken
– oder, was wichtiger war, einen Schwiegervater. Er wollte nicht damit werben, daß
er Brahmane und ein strenger Vegetarier war, doch wenngleich solche Dinge für ihn
keine Rolle spielten, waren sie für Schwiegerväter von großer Bedeutung; und normalerweise
waren es die Schwiegerväter und nicht die Möchtegern-Bräute, die auf die Anzeigen
antworteten – falls überhaupt jemand antwortete.
Und jetzt zankten
sich Lowji und Ranjit, weil Ranjit klein beigegeben hatte. Auf seine letzte Anzeige
in der ›Times of India‹ hatte er über hundert Antworten erhalten. Das lag
Weitere Kostenlose Bücher