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Zitadelle des Wächters

Zitadelle des Wächters

Titel: Zitadelle des Wächters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas F. Monteleone
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ge­macht, und Tes­sa ge­lang­te an Bord des Schif­fes Sil­ber­mäd­chen, das den Kirchow hin­un­ter bis zum G’rdel­lia­ni­schen Meer fuhr. Un­ter­wegs lief es in Eleu­syn­nia und Vo­luspa an, um dann nach Talthek wei­ter­zu­se­geln, wo die Nach­fra­ge nach g’rdel­lia­ni­schen Kon­ku­bi­nen die höchs­ten Prei­se auf der Welt ein­brach­te – Sum­men, die den Kauf­preis an Tes­sas Va­ter win­zig er­schei­nen lie­ßen. Es war ei­ne zi­vi­li­sier­te Welt … aber nur, wenn sie ge­ra­de Lust da­zu hat­te.
     
    So se­gel­te Tes­sa jetzt in ei­ner Ka­bi­ne vol­ler an­de­rer un­glück­li­cher jun­ger Frau­en zum süd­li­chen En­de des G’rdel­lia­ni­schen Mee­res. Tes­sa wuß­te, daß die Re­gie­rung von Eleu­syn­nia den Skla­ven­han­del be­kämpf­te und daß sie in Si­cher­heit sein wür­de, wenn es ihr ge­lang, von Bord zu ge­lan­gen, so­bald die Sil­ber­mäd­chen in die­ser groß­ar­ti­gen Stadt vor An­ker ging. Tes­sa war an ei­nem Le­bens­ab­schnitt an­ge­langt – ihr Le­ben hat­te bis­lang nur aus ei­ner un­auf­hör­li­chen und kon­tur­lo­sen An­ein­an­der­rei­hung von Er­eig­nis­sen be­stan­den –, wo sie ent­we­der ihr ei­ge­nes Le­ben le­ben oder ster­ben muß­te. Das Le­ben, das sich bis­her vor ihr aus­ge­brei­tet hat­te, war es, auf einen Nen­ner ge­bracht, nicht wert, als sol­ches be­zeich­net zu wer­den.
    Sie woll­te ver­su­chen, das Glück am Schopf zu pa­cken, sag­te sie sich, als sie in der Dun­kel­heit in der Ko­je lag und dem Knat­tern der Se­gel im Nacht­wind, dem Stöh­nen des höl­zer­nen Decks und den ge­le­gent­li­chen Be­feh­len lausch­te, die die Schiffs­mann­schaft sich zu­grunz­te.
    Tes­sa er­zähl­te nie­man­dem von ih­rem Plan, noch nicht ein­mal ih­ren Mit­ge­fan­ge­nen, von de­nen ihr kei­ne ver­trau­ens­wür­dig er­schi­en. Die meis­ten ka­men aus noch schlech­teren Ver­hält­nis­sen als Tes­sa, die Toch­ter ei­nes Schä­fers: Stra­ßen­hu­ren, Wai­sen oder noch schlim­mer: Bett­ler. Tes­sa lausch­te ih­rem Genör­gel und Ge­läch­ter, und ihr fie­len da­bei ih­re un­ge­bil­de­ten Ak­zen­te auf. Sie ver­such­te den Her­kunfts­ort der Be­tref­fen­den her­aus­zu­fin­den. Ei­ne stamm­te ein­deu­tig aus ei­ner nörd­li­chen Sied­lung am Cairn-Fluß. Ei­ne an­de­re aus der Gos­se von Hok in Pin­dar. Wie­der an­de­re ka­men aus den Hin­ter­wäld­ler-Pro­vin­zen bei Baadg­hi­zi. Sie al­le emp­fin­gen Tes­sa zu­nächst mit Miß­trau­en, das sich spä­ter in Feind­se­lig­keit ver­wan­del­te, weil sie an ih­ren gro­ben Ver­gnü­gun­gen nicht teil­neh­men woll­te.
    Au­ßer­dem gab es noch ein Pro­blem: die Mann­schaft. Hart­ge­sot­te­ne Män­ner, de­nen wäh­rend der lan­gen Fahrt nur we­ni­ge Freu­den zu­teil wur­den. Und sie wa­ren mehr als ein­ver­stan­den mit den Mög­lich­kei­ten, die sich an­ge­sichts ei­nes gan­zen Raums vol­ler zu­künf­ti­ger Kon­ku­bi­nen als Fracht er­ga­ben. Mit dem En­de je­der Schicht ka­men gan­ze In­va­sio­nen zu spon­ta­nen Fei­ern und end­lo­sen Schmä­hun­gen her­un­ter.
    Als die Sil­ber­mäd­chen dann Eleu­syn­nia er­reich­te, war es Tes­sa egal, ob sie le­ben oder ster­ben wür­de, Sie wuß­te nur eins: Mit die­sem Schiff wür­de sie nicht mehr wei­ter­se­geln. Sie haß­te ih­ren Va­ter, und sie haß­te die an­de­ren Frau­en; und sie woll­te die Män­ner um­brin­gen, al­le Män­ner um­brin­gen. Män­ner wa­ren Tie­re – schnau­fen­de, schwit­zen­de, stin­ken­de Tie­re –, die kein Wort mit ihr wech­sel­ten, sie nicht ein­mal an­sa­hen, wenn sie, auf El­len­bo­gen und Kni­en ab­ge­stützt, auf ihr la­gen. Sie konn­te nur noch has­sen.
    Aber an die­sem Abend ka­men nach dem Schicht­wech­sel we­ni­ger Män­ner von der Mann­schaft her­un­ter, denn das Schiff war in ei­nem Ha­fen vor An­ker ge­gan­gen. Die­je­ni­gen, die auf Frei­wa­che wa­ren, schlen­der­ten durch die nächt­li­chen Stra­ßen der Stadt auf der Su­che nach neu­en Er­obe­run­gen. Dies war Tes­sas güns­tigs­te Ge­le­gen­heit. Sie stand schnell auf und such­te sich von den grö­lend in die Ka­bi­ne ein­drin­gen­den Män­nern einen klei­nen aus. Er war schon äl­ter,

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