Zitadelle des Wächters
nachgedacht“, sagte Varian. „Glaubst du, daß dort wirklich einmal eine große Schlacht geschlagen wurde … daß es vielleicht sogar die Riken waren?“
„Und die Genonesen?“ sagte Stoor. „Sicher, darüber habe ich auch schon nachgedacht. Meiner Meinung nach ist da ’ne Menge dran. Es gibt so viele Geschichten über die ‚Felder’, daß keiner wirklich weiß, was sich dort tatsächlich abgespielt hat. Manche sagen, dort seien Hunderte, vielleicht sogar Tausende Schlachten geschlagen worden … wie ein magnetischer Ort, der Menschen anzieht, wenn sie wieder einmal glauben, die Zeit zur endgültigen Abrechnung’ sei gekommen …“
„Wie bei den Zugvögeln …“ sagte Varian.
„Oder den Lemmingen, die zu den Klippen ziehen, um sich dort in den Tod zu stürzen“, sagte Stoor. „Man hört solche Geschichten immer wieder. Verrückt. Einfach verrückt, so was!“
Varian war sich nicht sicher, ob er überhaupt verstand, wovon der alte Mann sprach. Und von „Lemmingen“ hatte er noch nie etwas gehört, obwohl er dazu genickt hatte. Varian war im Moment ohnehin nicht in der Laune, eine weitere Geschichte zu hören – und erst recht keine über irgendwelche verrückt gewordenen Kleintiere.
Stoor beobachtete den Bildschirm, wo die Anzeiger die ersten Anzeichen der Eisenfelder vermerkten. Dann blickte er nach oben, um den Stand der Sonne zu ermitteln.
„Wenn wir auf dieser Route bleiben, werden wir wahrscheinlich bei Sonnenuntergang die ‚Felder’ erreichen. Hört sich irgendwie passend an, was? Irgendwie poetisch, würde ich sagen.“
Als erfahrener Reisender, der er war, schätzte der alte Stoor ziemlich präzise den Zeitpunkt ein, da die Eisenfelder vor ihren Augen lagen. Raim saß in jenem Moment gerade am Steuer und Tessa auf dem Beifahrersitz.
Sie riefen die anderen, die dann auch in die Kabine kamen. Am Horizont ließen sich die ersten dunklen, verhutzelten Silhouetten erkennen.
Der MTW rollte näher heran, und eine leichte Brise trug warme Luft in die Fahrerkabine. Sand stieg wie Meeresschaum zwischen den verwinkelten Brocken auf, die sich wie Grabsteine aus dem Boden erhoben, und fiel wieder zu Boden. Die Sonne ging unter, und die Temperatur fiel rapide – so als sollte damit ihr Eindringen in einen Ort verkündet werden, der jenseits der Grenzen von Raum und Zeit lag.
Bilder und Eindrücke drängten sich in Varians Bewußtsein. Er beobachtete, wie die undeutlichen Schatten größer wurden, während das Fahrzeug sich ihnen näherte. Worte und Gefühle suchten nach zeitlichem und logischem Zusammenhang, aber Varian mußte sich endlich eingestehen, daß er von dem Ausblick überwältigt wurde. Sie betraten einen Ort des Mysteriums und des Märchens … einen Platz des Todes.
Nichts rührte sich, nichts lebte auf den Eisenfeldern. Als der MTW tiefer in das unermeßliche Klumpenland eindrang, senkte sich Stille auf die Insassen herab. Selbst Stoor schwieg, als jeder einzelne aus der Gruppe den gräßlichen Ausblick auf sich einwirken ließ. Eine unendliche Galerie, angefüllt mit den schattengleichen Korridoren des Grotesken, des Unaussprechlichen. Eine Stilleben-Montage aus den Apokalypsen der Menschen und ihrer Maschinen.
Ein ausgebrannter Panzer mit einem verkohlten Skelett, das immer noch in jenem Zeitabschnitt eingefroren war, als es noch ein Mensch gewesen war, der sich aus dem brennenden Fahrzeug retten wollte.
Die verdrehten, verrosteten Überbleibsel eines vielmotorigen Flugzeugs lagen dort, die Spitze hatte wie ein V den Boden umgepflügt und zeigte damit an, wo die Maschine aufgekommen war.
Ein kreisförmiges Becken aus ultraerhitztem Sand, jetzt glasiert,
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