Zitadelle des Wächters
hatte einen diamantharten Boden geschaffen. Seine Glattheit wurde nur durch ein herausragendes, großes und verdrehtes Stück Stahl unterbrochen. Der Eindruck von einer namenlosen, sehr avantgardistischen Skulptur.
Maschinen und Teile lagen wie tote Blätter auf dem Sand verstreut. Der Wind schlüpfte mühelos durch die zahllosen Ecken und Winkel. Gelegentlich schwoll er an und produzierte eine nervtötende, schreckliche Musik, eine Kombination aus Wehklagen und Sätzen aus einer atonalen Sonate.
Falls man daran glaubte, konnte man sich den Ort leicht als von Geistern bewohnt vorstellen. Die Trugbilder von Millionen Soldaten drängten sich auf den freien Flächen. Alle schwebten dahin, Gewehr über, das Bein halb angehoben im erstarrten Marschtritt, als seien sie dazu verdammt, auf ewig ziellos in den Ruinen herumzustolpern.
Varian war es schließlich, der die kalte Stille brach.
„Sieht das hier überall so aus? Ich kann es einfach nicht glauben …“
„Oh ja, besser du glaubst dran“, sagte Stoor. „So zieht sich das endlos hin. Immer weiter und weiter und weiter … Tausende, möglicherweise Hunderttausende von Quadratkas.“
„Wie in einem Museum“, sagte Tessa, „so kalt und so steril. Irgendwie scheinen wir nicht hierher zu gehören. Spürt ihr das nicht auch?“
„Ich hatte dieses Gefühl auch“, sagte Varian, während er den Blick über dieses unglaubliche Panorama der Zerstörung wandern ließ. Als geübter Kämpfer konnte er die Notwendigkeit von Waffen einsehen, er konnte auch die Macht der Maschinen und Armeen respektieren, die sich hier versammelt hatten, und er konnte sogar die aufreizende Aufregung verspüren, den Ruhm, der wie ein brennender Nebel in der Luft gehangen haben mußte. Aber ungeachtet all dessen war selbst ein Varian von dem bleichen Testament der Eisenfelder erschüttert.
Es war die ultimate Metapher. Das endgültige Bild. Das andauernde Monument für das Bedürfnis des Menschen, sich erneut im Krieg zu erproben.
„Mensch, sieh doch mal, der Sucher“, sagte Tessa und deutete auf den Bildschirm, auf dem ein ganzes Lichterbündel wie Schneeflocken tanzte. „Er spielt verrückt!“
Stoor griff nach einem Schaltknopf und drehte ihn herunter. „Wir müssen ihn feinjustieren, ihn so einstellen, daß er nur auf elektromagnetische Impulse anspricht.“
„Kannst du das denn?“ Varian sah den alten Mann an und fragte sich, ob das die Einleitung zu einer neuen Geschichte sein sollte.
Stoor nickte. „Raim kann das. Man kann gar nicht zwanzig Jahre in Zend Avesta beim erfindungsreichsten Volk der Welt verbringen, ohne nicht zumindest etwas gelernt zu haben.“
„Wovon sprichst du eigentlich?“ Tessa starrte ihn an, während Raim das Fahrzeug weiter durch die Ruinen steuerte.
„All die Dinge aus der Ersten Zeit funktionieren auf Grund kleiner Teilchen aus Draht und Plastik. Man nannte sie ‚Grillen’, weil sie diesen Tierchen ähnlich sahen. Diese kleinen Teilchen senden spezifische Signale aus, die der Sucher vermerkt, sobald sie in seine Reichweite kommen. Man muß dem Kasten nur sagen, wonach er suchen soll, klar?“
„Stimmt“, sagte Varian. „Wir brauchen ihn nicht mehr, um vor uns liegende Objekte auszumachen. Wir können diese ja jetzt mit den eigenen Augen sehen. Aber falls eines dieser Objekte wirklich die Zitadelle des Wächters sein sollte, werden wir das nie herausfinden.“
„Wir könnten unser ganzes Leben damit verbringen, jedes einzelne Wrack zu durchsuchen“, sagte Tessa.
„Das Leben von uns allen “, sagte Stoor und blickte durch die Frontscheibe nach draußen. Er rieb sich den Bart, betrachtete einen Moment lang den Himmel und fuhr dann fort. „Hört mal, warum lassen
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