Zitadelle des Wächters
verloren hatte. Im gleichen Moment wußte er, daß er sich zu früh zu ihr umgewandt hatte, daß er sie auf ewig verloren hatte und sie niemals wiedersehen würde.
Ihr Bild wurde von der bedrohlichen Gestalt in der dunklen Kutte ersetzt. Dieser Tausch brachte Raim an den Rand des Wahnsinns. Er öffnete den Mund und schrie … stieß einen unartikulierten Schrei aus, der aus den Tiefen seiner Seele kam und überall von den leeren Stahlkorridoren widerhallte. Er drehte sich weg von diesem Schattenwesen und verlor sein Gleichgewicht. Drei Ebenen und Ecken der Wände wirbelten vor seinen Augen wild umher, wurden schneller und noch schneller, bis Raim das Bewußtsein verlor …
Am gleichen Abend fragte sich Stoor, kurz nachdem er sich auf sein Zimmer zurückgezogen hatte, wo sein Gefährte wohl abgeblieben war. Er streckte sich auf seinem Bett aus und überdachte die Möglichkeiten, von diesem Ort zu entfliehen, den sie so guter Dinge betreten hatten. Es war nicht das erstemal, daß man ihn gefangenhielt – nach einem so erfüllten Leben konnte er sich nicht mehr an die genaue Anzahl erinnern. Aber dieses Mal handelte es sich gewiß um die mysteriöseste Haft.
Die erste Regel für einen erfolgreichen Ausbruch lautete, daß man seinen Gegner voll verstehen und alles von ihm wissen mußte. Stoor mangelte es an diesem Wissen, und das frustrierte ihn. Aber er würde so lange nicht aufgeben, bis er herausgefunden hatte, wie dieser merkwürdige Wächter funktionierte – er würde seinen Gegner durchschauen.
Er war es müde, immer die gleichen Gedanken zu denken und verbrachte diese schlaflosen Stunden damit, die Pfeife zu rauchen und auf Raim zu warten.
Während er so auf dem Bett lag, bekam er einen Schrecken: Etwas bewegte sich an der gegenüberliegenden Wand. Blitzschnell stand er auf und beobachtete, wie das Wirbeln in der Luft Gestalt gewann: ein Mann, der in einer grellen Rüstung steckte und einen merkwürdigen Kriegshelm auf dem Kopf trug. Er hielt einen schweren Speer.
„Bei Krell! Bleib stehen, oder du bist ein toter Mann!“
Der Eindringling lachte nur und stellte den Speer auf den Boden; die Spitze zeigte auf die Decke. „Ich bin weder tot noch lebendig. Und deine Waffen können mir nichts antun. Ich bin hierhergekommen, um dir einen interessanten Vorschlag zu machen …“
„Hierhergekommen? Ich wüßte zu gern, wie du überhaupt hierhergekommen bist?“
„Ich kann es dir nie mit so einfachen Worten erklären, daß du es jemals verstehen könntest. Du tust besser daran, einfach die Tatsache zu akzeptieren, daß ich wirklich hier bin.“
Stoor schüttelte den Kopf. „Tut mir leid, so einfach geht das nicht. Ich bin schon zu alt und zu starrsinnig. Also, was ist hier los? Ich habe diese Tür eigenhändig verschlossen. Bist du auch einer von diesen Robotern?“
Der Mann lachte. „Kaum. Ich bin Zeus.“
„Wer?“ Stoor sah den Mann ratlos an. Dennoch rührte sich bei diesem Namen irgend etwas in seinem Erinnerungsvermögen – etwas Vertrautes.
„Man hat mir andere Namen gegeben, aber ich persönlich ziehe Zeus vor. Wenn du es unbedingt wissen willst: Ich bin durch die Wand gekommen.“
„So einfach hindurchgelaufen, he? Du bist wohl so eine Art Geist.
Nun, ich fürchte, ich muß gestehen, daß ich nicht an Geister glaube. Weißt du, ich kenne mich etwas mit den Naturwissenschaften aus – und mit der Magie. Ich bin durchaus nicht der Ignorant, als der ich dir vielleicht erscheine. Ich bin auch kein Einfaltspinsel, der jemanden schon deshalb für erleuchtet hält, weil er ein Feuerzeug und eine Taschenlampe in der Tasche hat.“
Wieder lachte der Mann. „Gut, das zu wissen. Ich hatte ohnehin nicht vor, dich mit solchem Schnickschnack zu belästigen.“
„Was willst du dann
Weitere Kostenlose Bücher