Zitadelle des Wächters
– oder welchen Wesens auch immer, das sich dieser Maskerade bediente – irgend etwas, das dringend nach einer Antwort verlangte. Stoor fühlte übermächtig die Frage in sich aufsteigen: Warum? Was war hier eigentlich im Gange?
„Bitte, gib mir deine Antwort“, sagte Zeus.
„Nun gut“, sagte Stoor, „ich würde ihn opfern …“ Unter bestimmten Umständen, ja, dachte er. Er war weder abergläubisch, noch glaubte er an uralte Legenden, aber es steckte wirklich ein Körnchen Wahrheit in den alten Geschichten – oder besser: ein Körnchen Weisheit. Er hatte diese Antwort sowohl aus Neugierde auf das gegeben, was nun folgte, als auch aus der Überzeugung heraus, daß diese Antwort von ihm erwartet wurde.
Zeus nickte und kehrte zu der soliden Wand zurück. „Danke“, sagte er. „Vielen Dank. Ich werde dich jetzt verlassen.“
„Warte!“ sagte Stoor, und tatsächlich hielt die Gestalt einen Moment lang inne, bevor sie durch die Wand ins Nichts entschwand.
Selbstverständlich wurde Tessa von den seltsamen Erscheinungen, denen sich die Gruppe ausgesetzt sah, nicht ausgeschlossen. Sie befand sich gerade in der Datenspeicherungsabteilung und versuchte, mit der Arbeitsweise und der Ausstattung der Anlage vertraut zu werden, als sich ihr ein merkwürdig bekleideter Mann näherte. Er trug die Rüstung eines primitiven Kriegers, doch sein Gesicht offenbarte Intelligenz und Verschlagenheit.
Sie konnte sich keinen Reim darauf machen, wo er hergekommen war. Anscheinend war er von einem Moment auf den anderen einfach dagewesen. Unter dem Arm trug er eine reich verzierte, mit Diamanten besetzte Büchse aus Elfenbein, Ebenholz und anderen exotischen Holzarten. Ein wahres Meisterwerk. Und obwohl sie von dem plötzlichen Auftauchen des Mannes verwirrt, ja sogar erschreckt war, bemerkte sie, daß es ihr Mühe bereitete, die Augen von der Büchse zu nehmen.
„Guten Abend, liebste Tessa“, sagte der Mann. Seine Stimme klang angenehm und Vertrauen erweckend, war aber auch voller Resonanz und kündete von Macht und Autorität.
„Wer bist du?“ fragte sie und bemühte sich erst gar nicht darum, ihr Unbehagen oder ihre leichte Furcht zu verbergen.
„Du brauchst vor mir keine Angst zu haben“, sagte der Mann. „Ich bin Zeus. Hast du schon einmal von mir gehört?“
Sie schwieg einen Moment und dachte nach. Dann schüttelte sie den Kopf. Ein wunderschönes Stück, dachte sie, während sie immer noch verstohlene Blicke auf die Büchse des Mannes warf.
„Du hast nicht? Hmm, sehr gut.“
„Gut?“
„Du wirst alles verstehen … eines Tages. Aber im Moment möchte ich dir gerne etwas erzählen.“
„Dann erzähle mir etwas. Was tust du hier? Ich dachte, alle seien vor langer Zeit verschwunden. Du kommst sicher vom Wächter, oder?“
„Nicht direkt“, sagte er nur und trat einen Schritt auf sie zu.
Urplötzlich zog sich alles in ihr zusammen. Im Kopf jagten die Gedanken hin und her, als sie sich an die Grundtechniken der Selbstverteidigung zu erinnern versuchte, die Varian ihr beigebracht hatte. Alles hatte so einfach ausgesehen, als sie diese Technik erlernt hatte. Aber jetzt, da sie diese Fähigkeiten benötigte, wollten sie sich einfach nicht einstellen.
„Stimmt irgend etwas nicht?“ fragte Zeus.
„Bitte, komm nicht näher. Ich kenne dich nicht … Ich weiß nicht, ob ich dir … trauen kann.“
Der Mann blieb stehen und lächelte. Ein sehr entwaffnendes, charmantes Lächeln. Tessa entspannte sich sichtlich. Etwas Seltsames ging von ihm aus, von seiner merkwürdigen Kleidung und von seiner Sprache, die sie nicht einordnen konnte, da sie keinem bekannten Dialekt in der Welt entsprach.
„Bitte, ich versichere dir, daß ich dir kein Leid antun will. In Wahrheit
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