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Zitadelle des Wächters

Zitadelle des Wächters

Titel: Zitadelle des Wächters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas F. Monteleone
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spiel­te wei­ter. Dar­auf­hin hör­te das Un­tier da­mit auf, wild in die Luft zu bei­ßen. Es fiel auf die Knie und leg­te sich hin, als sei es be­rauscht von der ly­ri­schen Mu­sik.
    Raim wuß­te kaum noch, was er spiel­te, so sehr be­ein­druck­te ihn die Wir­kung sei­nes Spiels. Er pas­sier­te den Wach­hund – wel­chen an­de­ren Zweck soll­te das Un­ge­heu­er wohl er­fül­len? – und be­trat einen rie­si­gen Raum. Dort ent­deck­te er einen Mann, der einen großen Fels­bro­cken einen un­glaub­lich stei­len Hang hin­auf­schob. Der Mann hielt in­ne, um Raims Mu­sik zu lau­schen. Ge­nau­so ge­sch­ah es auch bei ei­nem an­de­ren Mann, der an ein großes Rad ge­bun­den war, und un­glaub­lich vie­len an­de­ren Leu­ten, die al­le­samt Tor­tu­ren er­lit­ten, die ein schreck­li­cher Rä­cher sich aus­ge­dacht ha­ben muß­te. Raim folg­te dem Irr­licht im­mer wei­ter und ge­lang­te schließ­lich an einen schwar­zen Fluß. Am an­de­ren Ufer dräng­ten sich Men­schen­mas­sen und lausch­ten wie ge­bannt der Mu­sik. Raim blieb ste­hen und spiel­te wei­ter, bis er einen Fähr­mann sah, der mit ei­nem flach­bo­di­gen Boot auf ihn zu­fuhr.
    Am Heck des Boo­tes saß ei­ne zier­li­che, dun­kel­haa­ri­ge Frau: Ma­ri­se!
    So sehr über­rasch­te ihn der An­blick, daß er fast ver­ges­sen hät­te, wei­ter­zu­spie­len. Doch vol­ler Furcht er­in­ner­te er sich an die Wor­te des Ka­pu­zen­man­nes. Mit größ­ter An­stren­gung blies er wei­ter, als der Fähr­mann, ein ab­ge­ma­ger­ter Bur­sche und über und über mit Aus­schlag be­deckt, Raims lieb­rei­zen­der Frau beim Aus­stei­gen be­hilf­lich war. Sie be­weg­te sich im­mer noch mit der ver­trau­ten Gra­zie und Ge­wandt­heit, an die er sich so gut er­in­nern konn­te. Das Herz tat ihm in der Brust weh und er­mög­lich­te so noch schmerz­li­che­re, noch schö­ne­re Mu­sik.
    Rasch wand­te er den Blick ab und folg­te wie­der dem Irr­licht. Zö­gernd schritt Raim auf dem Pfad zu­rück. Er streng­te sich an, Ma­ri­ses Schrit­te hin­ter sich zu hö­ren, aber er konn­te sie nur aus­ma­chen, wenn es in sei­ner Me­lo­die ei­ne kur­ze Pau­se gab oder in den Zeit­span­nen, da sei­ne ei­ge­nen Schrit­te kein Echo von den kal­ten Wän­den der Höh­le war­fen.
    Sie ka­men wie­der an den Stät­ten der Tor­tur vor­bei, und er­neut hiel­ten al­le in­ne, um die Flucht der bei­den aus der Dun­kel­heit zu be­ob­ach­ten. Wäh­rend Raim vor­an­kam, dem Irr­licht folg­te und die Ar­this spiel­te, be­merk­te er, daß die Höh­len­wän­de all­mäh­lich hel­ler wur­den, sich lang­sam, aber ste­tig in die Kor­ri­do­re der Zi­ta­del­le zu­rück­ver­wan­del­ten. Er kam an dem drei­köp­fi­gen Wolfs­hund vor­bei, der im­mer noch an sei­nen Fels ge­fes­selt war und sich er­neut von Raims Mu­sik läh­men ließ.
    Fast hat­ten sie die Frei­heit er­reicht, bald lag die Stät­te des To­des hin­ter ih­nen. Er dach­te nur noch an Ma­ri­se, und er woll­te glau­ben, daß sein merk­wür­di­ges Trau­ma­ben­teu­er der Wahr­heit ent­sprach. Er woll­te wis­sen, ob sie ihm tat­säch­lich folg­te. Ihm kam es vor, als hät­te er schon seit lan­ger Zeit nicht mehr ihr At­men, ih­ren Schritt, rein gar nichts mehr von ih­rer An­we­sen­heit ver­nom­men.
    Ein Stück vor­aus konn­te Raim se­hen, wie der tun­nel­ar­ti­ge Höh­len­gang sich in die stäh­ler­ne Eben­heit der Zi­ta­del­le um­wan­del­te. Fast war es so­weit. Die Frei­heit war zum Grei­fen na­he. Ma­ri­se! Ma­ri­se! Ihr Na­me ver­setz­te ihn in Er­re­gung, und als er an der Schwel­le zum Gang stand, dreh­te er sich um, um Ma­ri­se an der Hand zu neh­men und sie an sich zu zie­hen. Oh, wie sehn­te er sich da­nach, sie noch ein­mal an sei­ne Brust zu drücken.
    Aber dies wur­de ihm ver­wehrt.
    Sei­ne lieb­rei­zen­de Braut, die sich so na­he hin­ter ihm be­fand, streck­te die Ar­me nach ihm aus, aber ihr Ge­sicht drück­te Schmerz, Trau­rig­keit und Nie­der­ge­schla­gen­heit aus. Als er ih­re klei­nen Hän­de be­rühr­te, be­gann sie zu ver­blas­sen, da­hin­zu­sch­win­den wie Rauh­reif an ei­nem Herbst­mor­gen.
    Ma­ri­se! Ihr Na­me brann­te in sei­nem Be­wußt­sein, als ihm be­wußt wur­de, daß er sie

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