Zitadelle des Wächters
Diva, die rasch herausgefunden hatte, wie sie ihren Kopf durchsetzen konnte. Auch dies bestürzte Bruder Nummer eins, aber er war viel zu sehr mit der neuen Welt beschäftigt, die er geschaffen hatte, und mit dem Bemühen, alles so hübsch wie möglich für die Menschheit zu gestalten. Er stieg sogar zur Schmiede der Götter hinauf und machte den Menschen das Geschenk des Feuers – auch dies erzürnte den Obergott, denn er wollte ganz und gar nicht, daß diese neuen Wesen, diese Menschen, das Feuer besäßen.“ Zeus legte eine Kunstpause ein und gestikulierte herum. „Weißt du, meiner Meinung nach hatte er vielleicht gar nicht so unrecht … man sieht ja deutlich, wohin uns das geführt hat.“
Tessa nickte und nötigte ihn fortzufahren.
„Es gibt nicht viel mehr zu berichten, das verspreche ich dir. Also, der Obergott hat eine neue Strafe für alle Beteiligten ersonnen. Er schuf diese Büchse …“ – er hielt inne und hob das Meisterstück, die geschnitzte Büchse, hoch – „… und überreichte sie der Frau als verspätetes Hochzeitsgeschenk. Obwohl die Büchse zwar Scharniere aus handgeschmiedetem Silber besaß, aber keinerlei Schloß, war ihr eine Inschrift beigefügt, die besagte, die Frau dürfe sie niemals öffnen. Die Frau konnte sich an der überwältigenden Büchse nicht satt sehen und beachtete zunächst die merkwürdige Inschrift gar nicht. Aber mit der Zeit ließ ihr der Inhalt der Büchse keine Ruhe mehr …“ Der Mann hielt inne und sah auf die Büchse. Dann lächelte er.
„Und was meinst du wohl, was dann geschehen ist?“ fragte er.
„Das ist doch ganz einfach“, antwortete Tessa. „Sie konnte sich ihrer Neugierde nicht mehr erwehren und hat die Büchse geöffnet.“
Zeus hob seinen Zeigefinger wie ein Professor, der gerade etwas besonders Wichtiges erklären will. „Nein! Eine weitverbreitete Mißinterpretation, die sich all die Jahrtausende hindurch gehalten hat. Sie hat die Büchse nicht geöffnet, obwohl sie es versuchte. Denn zu dieser Zeit war der Bruder Nummer eins auf Grund der Warnung so mißtrauisch geworden, daß er sie aufsuchte und gerade in dem Moment erschien, als sie den Deckel abnehmen wollte. Er stürzte sich auf sie, entriß ihr die Büchse, versteckte sie an einer entlegenen Stelle auf der Erde und hoffte, daß sie dort nie gefunden würde …“
„Aber …“ Tessa zeigte auf die Büchse.
„Aber hier ist sie!“ sagte Zeus. „Tatsächlich wurde die Büchse sogar sehr oft gefunden, nachdem Bruder Nummer eins sie versteckt hatte. Doch sie gelangte zu allen Zeiten in den Besitz weiser Männer oder Frauen und ist eigentlich nie geöffnet worden. Du wirst sicher nicht überrascht sein zu erfahren, daß es eine große Ehre für jeden bedeutet, der als Eigner der Büchse bestimmt worden ist, um sie beizeiten ungeöffnet weiterreichen zu können.“
„Du brauchst es mir nicht erst zu sagen“, meinte Tessa. „Ab jetzt bin ich erwählt, die Verantwortung für die Büchse zu tragen.“
Zeus schnippte mit den Fingern. „Wie hast du das erraten?“
Tessa zuckte die Achseln. Die Zungenfertigkeit des fremdartigen Mannes machte sie mißtrauisch. „Das war nicht schwer. Aber sag mir doch, ob du weißt, was sich in der Büchse befindet.“
„Das verstößt gegen die Regeln. Diese Frage darfst du nicht stellen.“
„Und warum nicht?“
Zeus hob bedauernd die Schultern. „Das weiß ich auch nicht. Noch nie zuvor hat jemand diese Frage gestellt.“
„Du willst aber, daß ich die Verantwortung für die Büchse übernehme, oder?“ Tessa betrachtete wieder das schöne Stück. Und sie fühlte sich davon so angezogen, wie ihr das noch nie zuvor bei einem Gegenstand widerfahren war.
Zeus lächelte. „Äh … ich fürchte, dir bleibt hier keine Wahl.“
„Wie
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