Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zitadelle des Wächters

Zitadelle des Wächters

Titel: Zitadelle des Wächters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas F. Monteleone
Vom Netzwerk:
bin ich ge­kom­men, um dir ein Ge­schenk zu ma­chen …“
    „Mir? Ein Ge­schenk?“ Tes­sa lach­te über die Un­ge­reimt­heit die­ser Vor­stel­lung. Das war wirk­lich das letz­te, was sie von die­sem Mann er­war­tet hät­te. Und un­ver­züg­lich kehr­ten ih­re Au­gen zu der Büch­se zu­rück, die er trug.
    „Doch zu­erst ei­ne Ge­schich­te“, sag­te er und ging auf einen Schreib­tisch zu, auf dem er sich so läs­sig wie mög­lich nie­der­ließ.
    „Ei­ne Ge­schich­te? Ach ja, da­von hast du eben schon ge­spro­chen.“
    „Ja, das ha­be ich. Jetzt hör mir bit­te zu, es ist ei­ne Schöp­fungs­ge­schich­te. Hast du so et­was schon ein­mal ge­hört?“
    „Ich ha­be Sa­gen ge­hört. Aber die sind doch der rei­ne Blöd­sinn …“
    Zeus lä­chel­te. „Ja, das sind sie, nicht wahr?“ Er mach­te ei­ne Kunst­pau­se, um sich aus­gie­big am Bart zu krat­zen und die Büch­se auf den Schreib­tisch zu stel­len. „Al­so, es geht los. Vor lan­ger, lan­ger Zeit, als die Welt aus dem Cha­os ge­zo­gen wur­de, leb­ten zwei Brü­der – ih­re Na­men spie­len hier kei­ne Rol­le –, die sich stark in Per­sön­lich­keit und Cha­rak­ter un­ter­schie­den. Und den­noch wa­ren bei­de das, was wir …“ – er such­te nach ei­nem pas­sen­den Wort – „… ‚Göt­ter’ nen­nen.“
    „Göt­ter?“ Tes­sa sah ihn fra­gend an.
    „Ja, du weißt doch, die­se mäch­ti­gen We­sen, die über­all im Uni­ver­sum ih­re Fin­ger im Spiel ha­ben – sol­che Ty­pen eben …“
    „Oh … ja, na­tür­lich“, sag­te sie ein we­nig gön­ner­haft.
    „Al­so, in Ord­nung. Ich mei­ne, dies ist ei­ne Wirk­li­che Schöp­fungs­ge­schich­te, nicht wahr?“ frag­te Zeus.
    „Ja, ver­mut­lich hast du recht“, sag­te sie. „Dann leg mal los.“
    „Gut. Al­so die­se bei­den Brü­der wa­ren recht un­ter­schied­li­che Göt­ter. Bru­der Num­mer eins war schreck­lich wei­se, viel­leicht der wei­ses­te von al­len Göt­tern. Und na­tür­lich war dann Bru­der Num­mer zwei …“
    „… nicht sehr hel­le, ein Schus­sel … eben ein ech­ter Pro­blem­fall“, sag­te Tes­sa.
    „Bist du si­cher, daß du die Ge­schich­te noch nicht ge­hört hast?“
    Tes­sa lä­chel­te. „Nein, aber das war doch ei­gent­lich zu er­war­ten, oder?“
    Zeus zuck­te die Ach­seln. „Si­cher hast du recht“, sag­te er. „Aber, um wei­ter­zu­kom­men: Bei­de Brü­der hat­ten großen An­teil an der Er­schaf­fung der Welt. Sie be­scher­ten ihr al­le Tie­re und so­gar den Men­schen, und das war an­fangs auch wört­lich zu neh­men. Ich will da­mit sa­gen, es gab nur den Men­schen und noch kei­ne Frau. Und ob du es glaubst oder nicht, zu An­fang ver­lief auch al­les hübsch or­dent­lich. Aber dann stell­ten die bei­den Brü­der et­was an (ich weiß nicht mehr ge­nau, was es war, aber es hat­te ir­gend et­was mit ei­ner Ehr­er­bie­tung für den Ober­gott zu tun – dem Chef al­ler Göt­ter –, die er ei­gent­lich vom Men­schen er­war­te­te), und ver­är­ger­ten da­mit den Ober­gott. Des­halb hat er auch ei­ne ein­zig­ar­ti­ge Stra­fe für die bei­den Brü­der er­son­nen – er er­schuf das Weib und gab sie Bru­der Num­mer zwei zur Frau.“
    „Das soll­te ei­ne Stra­fe sein?“
    Wie­der zuck­te Zeus die Ach­seln. „Ich ha­be die­se Ge­schich­te nicht er­fun­den. Ich kann nur das be­rich­ten, was vor­ge­fal­len ist …“
    „Schon gut“, sag­te sie. „Was ge­sch­ah dann?“
    „Nun, Bru­der Num­mer eins war sehr be­stürzt über die­ses Er­eig­nis … nicht et­wa, weil er kei­ne Frau er­hal­ten hat­te, son­dern weil er we­der all­zu großes Ver­trau­en in die schein­ba­re Gü­te des Ober­got­tes leg­te noch viel Zu­ver­sicht in die Fä­hig­kei­ten sei­nes Bru­ders hat­te, mit die­ser La­ge fer­tig zu wer­den. Üb­ri­gens half es lei­der nicht im ge­rings­ten, daß die Frau au­ßer­or­dent­lich schön war – die schöns­te Frau, die je ge­lebt hat, von da­mals an bis in un­se­re Ta­ge. Sie war tat­säch­lich so auf­re­gend ge­baut, daß Bru­der Num­mer zwei das biß­chen Ver­stand, das er viel­leicht noch be­saß, auch noch ver­lor, wenn er mit ihr zu­sam­men war. Schließ­lich wur­de aus die­ser ers­ten Frau ei­ne ver­zär­tel­te, ver­zo­ge­ne

Weitere Kostenlose Bücher