Zitadelle des Wächters
irgend etwas in seinem Innern rumorte – eine Art Furcht, die er sehr wohl verstehen konnte.
„Eben etwas, das zur Hälfte Maschine und zur Hälfte Mensch ist …“ sagte Kartaphilos. „Begreift ihr denn nicht, was ich euch sagen will? Ich bin so ein Wesen!“
Zwölf
Kartaphilos Eröffnung erklärte, warum der Wächter nicht in der Lage war, ihn zu kontrollieren, und er bescherte den vieren einen Verbündeten, der sich bestens mit dem Gegner auskannte. Nachdem sich der erste Schock gelegt hatte und alle die ungeheuerliche Wahrheit begriffen hatten, wuchs die Hoffnung wieder in ihren Herzen. Der alte Mann in der Mönchskutte erklärte weiter, daß sein Maschinenkörper sich zwar selbst reparieren konnte, sein menschliches Gehirn sich jedoch ordentlich bemühen mußte, sich seiner selbst bewußt zu werden. Er hatte lange gegen die Amnesiebarriere angekämpft, die ihn daran hinderte festzustellen, wer und was er war. Und eigentlich hatte er erst zu dem Zeitpunkt seiner Rückkehr zur Zitadelle herausgefunden, daß er ein Kyborg war. Als er vor Jahrtausenden nach dem Sturz aufgewacht war, hatte er nur seinen Plastistahl-Körper, die blinkenden Stromkreise und seine außerordentliche physische Kraft bemerkt. Natürlicherweise hatte er sich daraufhin für eine Maschine, einen Roboter, gehalten. Aber irgendwie hatte es in seinem … ja, Verstand eine Unruhe gegeben, eine Art Sich-selbst-wahrnehmen, aber es war nie zu der Erkenntnis gekommen, daß dieser Verstand ein lebendes, organisches Gehirn bewohnte. Ein Gehirn, das in einer Metallegierung steckte, das von Pyroxenit-Kanälen und myoelektrischen Sensoren versorgt wurde. Denn es war bekannt, daß Gehirnzellen sich zwar nicht nachbilden oder reparieren konnten, andererseits aber auch nicht alterten. Solange man ein Gehirn mit Sauerstoff versorgte, würde es ewig leben. Der Triumph der Kyborg-Idee – und gleichzeitig seine Tragödie.
Als Kartaphilos’ Gedächtnis wieder einsetzte, erinnerte er sich auch an seine Hauptaufgabe in dieser Welt: Er war eine Kampfmaschine. Wie er den vieren vorher schon berichtet hatte, gehörte er zu den Spezialkriegsmaschinen der Kampfroboterklasse VI. Als solcherart verwendeter Kyborg war er mit außerordentlicher physischer Stärke, ungeheurer Reaktionsschnelligkeit, bemerkenswerten Sinnesleistungen und einem Waffensystem ausgestattet, das außergewöhnlich effizient und tödlich arbeitete. In seinem Hals steckte die Mündung eines Hitzestrahlers, des White-Molekular-Zerstörers (benannt nach seinem Erfinder, T. White). Er wurde aktiviert, wenn der Kyborg seinen Mund öffnete und der Unterkiefer in der richtigen Position eingerastet war. Ein Gedankenbefehl, weitergetragen von myoelektrischen Stromkreisen, löste die Waffe aus und spuckte einen enggebündelten Energiestrahl von äußerster Treffsicherheit aus. Obwohl diese Waffe nur über eine begrenzte Reichweite verfügte, lag ihre Vernichtungsrate extrem hoch. Und es existierten nur wenige Materialien, die der Kraft des Strahls widerstehen konnten, ohne sich aufzulösen.
„Der Wächter ist offensichtlich verwirrt, sonst hätte er mich nicht zurückbeordert“, sagte Kartaphilos. „Er kann sich offenbar nicht entscheiden, was er als nächstes tun soll, andernfalls hätte er uns jetzt nicht allein gelassen. Ich bin ein nicht eingeplanter Faktor in seinem Schema, wie auch immer das aussehen mag.“
„Vielleicht können wir zusammen hinter die Pläne des Wächters kommen“, sagte Tessa. „Ich glaube, wir erzählen dir am besten, was er mit uns angestellt
Weitere Kostenlose Bücher